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19. July 2002, 16:30   #16
tw_24
 
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Tja, nun ist die verfolgte Unschuld Rudolf Scharping weg, und in der SPD-Reichstagsfraktion hat mit Ludwig Stiegler ein Katholik und Bayer die Führung übernommen - was eigentlich noch viel skandalöser ist ;-).

Der Ludwig Stiegler hatte Anfang des Jahres mit der Behauptung, Union und FDP seien wegen ihrer bürgerlichen Wurzeln mitverantwortlich für die Ermächtigung Adolf Hitlers, für Aufregung gesorgt. Im Zusammenhang mit dem NPD-Verbotsverfahren forderte er von den beiden Parteien (CDU, CSU und FDP - eigentlich sind es ja drei) damals, sie sollten wenigstens heute aktiv gegen die NPD eintreten, doch die hatten sich wegen der V-Mann-Affäre gerade vom Bundestagsantrag auf Verbot der NPD verabschiedet. Aktuell spielt Ludwig Stiegler allerdings selber den Nazi-Beschützer. Er will nämlich die Offenlegung von Namen von Verfassungsschutz-Informanten verhindern, wobei er zugleich betont, diese Informanten seien nicht etwa "gesteuert", sondern wirkliche, richtige Nazis, die aus eigenem Antrieb handeln.

Wie auch immer, so kurz vor der Wahl ist die ganze Angelegenheit schon recht peinlich für den Kanzler. Bedauerlich ist auch, daß nun in der nächsten Woche noch einmal der eigentlich urlaubende Bundestag zusammentreten muß - finanziert werden Heimflüge und die ganze Veranstaltung ja vom gemeinen Wahlvolk. Zum Rücktritt kommen nun also auch noch zusätzliche Kosten hinzu :-(.
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Nachtrag

Zitat:
Zitat von Wiglaf Droste
Rudis Reste Rampe.
Ein Nachruf von Wiglaf Droste

Mit manchen, die das Grundrecht auf Blamage öffentlich wahrnehmen, kann man Mitleid haben - aber nicht mit Rudolf Scharping, nicht mit dem. Spachtelmasse für Sommerlöcher wäre noch das freundlichste, das man ihm nachrufen könnte.

Auch dass er am Ende aus den vorgeschobensten und falschesten Gründen aus dem Amt des Kriegsministers entlassen wurde, ändert nichts an der Tatsache, dass Rudolf Scharping die politisch und persönlich abstoßendste Erscheinung ist, die seit dem Liebknecht-und Luxemburg-Mordbefehlshaber Gustav Noske von der deutschen Sozialdemokratie hervor- und in Stellung gebracht wurde.

Selbst wenn die Pflicht erfüllend brüllköpfige Mundgeruchfigur Peter Struck als Nachfolger im SPD-Kompetenzdarstellerteam bloß Schröders Wiederwahlchancen erhöhen soll und schöne Bild-Quoten nicht durch weniger kriegsgeile Anwandlungen stören wird - wenigstens diese eine, seine, Scharpings Visage gibt es nicht mehr im Dauertakt um Augen und Ohren gedroschen. Das ändert nichts und tut dennoch wohl.

Dabei hat Scharping in seiner eigenen Partei ausreichend Konkurrenz auf den Posten des Allerwiderwärtigsten. Die größte: sein Chef, der zu Scharpings Karriereknick nach mehrfachem Abwägen das tat, was autoritäre Zwangscharaktere aller Couleur ganz entzückt "ein Machtwort sprechen" nennen, ist ähnlich obszön gestrickt wie der von ihm taktisch geschickt Demissionierte, aber entschieden kühler beraten und sieht deshalb pragmatischer aus. Und die scheinbar SPD-externen unterirdischen Figuren und Luftpumpen-Eklinge aus CDUCSUFDP, die wahlkämpfend angestrengt zu frohlocken versuchen, sind in jeder Hinsicht verzichtbar. Streikt die Müllabfuhr, oder warum sind die alle am Start? Demokratie ist oft seltsam.

Von all dem unberührt empfinde ich eine gänzlich nichtnaturtrübe Freude über den Niedergang eines kleinen Drecksacks, der so unbedingt ein großer sein wollte, und das um veritabel jeden Preis. Es ist gar nicht nur der Mann allein, es ist auch der Typus - den man in Scharpings Fall auch Typhus nennen kann.

In Scharping kommt das Getretene, Geschlagene, psychisch Vollkaputte zum Zug, zum Gegenzug. Da wird zurückgeschlagen, erbarmungslos, gegen das, was der Kleinbürger hat erdulden müssen. Ich möchte solchen Elendshaufen, egal, für was sie politisch zu stehen behaupten, nicht ausgesetzt sein. Scharping aber ist klebriger als jedes Kaugummi unterm Schuh. Egal, wer dieses Zeug aus welchen, eventuell sogar noch mieseren Motiven wegschrappt - es ist gut!

Wird es also eine Welt ohne Scharping, eine so gesehen bessere Welt geben? O nein! In Zeiten, als persönliche Verantwortlichkeit etwas galt, hätte sich einer an Scharpings Stelle entleibt - doch Rudolf Scharping, da darf man bis zum wiederholten Erbrechen sicher sein, der bleibt, als was auch immer. Denn noch das Würdeloseste auf dieser Welt ist für Rudolf Scharping noch lange nicht würdelos genug.

Quelle: http://www.taz.de/pt/2002/07/19/a0165.nf/text
MfG
tw_24