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26. August 2002, 07:01   #15
tw_24
 
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Das politische System der Schweiz ist nicht EU- oder gar UNO-kompatibel, deshalb ist die Schweiz auch nicht Mitglied der genannten übernationalen Institutionen, bei denen die Mitgliedschaft immer auch einen gewissen Souveränitätsverlust für das jeweilige Land bedeutet.

In der Schweiz gibt es zwei parlamentarische Kammern, den Nationalrat und den Ständerat. Beide Kammern müssen Parlamentsbeschlüssen zustimmen, damit diese gültig werden. Der Nationalrat entspricht etwa dem deutschen Bundestag und der Ständerat dem Bundesrat.

Doch zu diesen Kammern kommt noch eine starke Komponente direkter Demokratie hinzu, die in dieser Form wohl einzigartig ist, sich aber seit mehr als 150 Jahren bewährt hat - die Todesstrafe wurde zum Beispiel mittels Referendum 1942 abgeschafft. Es gibt das obligatorische und das fakultative Referendum sowie die Volksinitiative, über die das Volk den Regierenden das Leben schwer machen kann.

Eine obligatorische Volksbefragung (Referendum) findet zu allem statt, was die Verfassung ändert oder bei wichtigen Staatsverträgen - das Volk müßte also von der Regierung befragt werden, wenn die übergeordneten Instanzen EU oder UNO etwas beschlössen, was Auswirkungen auf die Schweiz hätte. Damit könnten Beschlüsse von EU oder UNO ieder gekippt werden, die "außenpolitische Verläßlichkeit" oder gar "Vertragstreue" der Schweiz wäre daher immer noch vom zustimmenden Votum des Voles abhängig, was den Diplomaten einige Bauchschmerzen bereiten könnte.

Ähnliches gilt natürlich auch für fakultatives Referendum und die Volksinitiative, nur muß bei diesen Mitbestimmungsmöglichkeiten die Initiative jeweils vom Volk ausgehen.

Mit dem fakultativen Referendum kann eine Volksabstimmung über Gesetze und Beschlüsse des Bundes verlangt werden, hierzu sind 50.000 Stimme nötig, und mit einer Volksinitiative - 100.000 Stimmen sind hier nötig - kann die Änderung von Verfassungsregeln verlangt werden, über die dann jeweils Volksabstimmungen abgehalten werden, zu denen Regierung und Parlament auch Gegenvorschläge präsentieren können.

Für die EU-Kommission gilt diese Form der direkten Demokratie als nicht EU-kompatibel, sogar ausdrücklich als "europafeindlich" - wer mag da wohl Angst vorm "mündigen Bürger" haben?

Ein Beitritt der Schweiz zur UNO oder der EU, zu dem das Volk von der Regierung befragt werden muß, wäre möglicherweise mit einer Einschränkung der direkten Demokratie in der Schweiz verbunden, mit einer zumindest teilweisen "Entmachtung" des Volkes. Deshalb - und möglicherweise auch aus anderen, eher nationalistisch-isolationistischen Gründen - scheiterten bisher auch Bestrebungen, einen EU- oder UNO-Beitritt der Schweiz zu betreiben, am ablehnenden Votum des Volkes.

Insgesamt scheint das politische System in der Schweiz aber trotz starker direkter Demokratie, die hierzulande ja immer aus angeblich "guten Gründen" abgelehnt wird, hervorragend zu funktionieren - 150 Jahre sind schließlich auch nicht gerade wenig.

Die Schweiz konnte bisher ganz gut ohne EU und UNO leben, UNO und EU mit der Schweiz auch. Auf bewährte demokratische Rechte zu verzichten, nur um einer der beiden Organisationen beizutreten, halte ich aus demokratietheoretischer Sicht für wenig sinnvoll, zumal EU und UNO struturell eigentlich wenig demokratische Institutionen sind.

MfG
tw_24