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4. September 2002, 09:07   #6
tw_24
 
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Hmm, eigentlich habe ich ja schon im Offtopic meine Meinung zum Thema kundgetan, dennoch scheint mir die Fixierung ausgerechnet auf die USA doch ein wenig einseitig zu sein, denn tatsächlich sind "Ausbeutung a la USA" und "soziale Marktwirtschaft" nur wenig verschiedene Seiten der gleichen Münze in der Portokasse der Bourgeoisie.

Die Erscheinungsformen mögen unterschiedlich sein, das Wesen indes ist das gleiche - es geht um die mehr oder weniger "moralisch" durch staatlichen Einfluß gebändigte Ausbeutung der Ware "Arbeitskraft" mit dem Ziel, private Profite zu mehren.

Und wenn ich mir ein paar Beispiele aus Deutschland anschaue, dann sind "wir" möglicherweise in der Entmenschlichung der Arbeitskraft schon weiter fortgeschritten als die USA, mindestens aber schon auf gleichem Niveau.

Wer etwa bei Infineon oder AMD hier in Dresden "unselbständig" Einkommen erwerben will, wird zum Drogentest gebeten - in meinen Augen ein Eingriff in die Privatsphäre, der Mitarbeiter der beiden Firmen auch noch in ihrer Freizeit zu bloßen Sklaven ihrer "Arbeitgeber" degradiert. Vor ein paar Jahren erheiterten übrigens auch recht seltsame Team-Building-Maßnahmen des Siemens-Ablegers Infineon die lokalen Medien: In ihrer Freizeit wurden Team-Mitgliedern die Augen verbunden und sie, die Team-Mitglieder, aneinandergekettet durch die Gegend gescheucht. Eine wohl etwas morsche Brücke hielt einem Team nicht stand, gab klugerweise nach und sorgte so für ein paar belegte Krankenhausbetten.

Oder nehmen wir des Noch-Kanzlers Wunderwaffe Peter Hartz, der als Personalchef von VW maßgeblich verantwortlich ist für das 5000x5000-Programm, das Arbeitslose, die ohnehin bei jeder sich bietenden Gelegenheit diskriminiert werden, erpresserisch vor die Wahl stellte, entweder eine untertarifliche Bezahlung zu akzeptieren oder sich weiterhin den Vorwurf gefallen zu lassen, ein "Faulenzer" zu sein. Welche Auswirkungen gerade dieses "Experiment" mit Menschen hat, dürfte die Zukunft zeigen, die die Hartz-Kommission ja schon angedacht hat - "Ich-AGs" und "Leiharbeit" sind doch nichts als Synonyme für etwas modernere Sklaverei.

Prostitution ist seit Jahresbeginn ebenfalls nicht mehr sittenwidrig, also als Beruf(ung) anerkannt, es dürfte nur eine Frage der Zeit sein, bis auch Arbeitsämter es als "zumutbar" empfinden werden, jungen Frauen oder Männern den Verkauf ihres Körpers zu empfehlen - im Fall der Weigerung droht dann dank der Hartz'schen Beweislastumkehr der Entzug finanzieller Unterstützung. Das Arbeitsamt Chemnitz hat übrigens schon einmal versucht, Callgirls zu rekrutieren, indem es eine Beschäftigung in einem Call-Center anbot - als dieser "Skandal" aufflog, handelte es sich angeblich um ein "Mißverständnis".

Ob nun USA oder BRD - die Ausbeutung der abhängig Beschäftigten ist dort wie hier Tatsache.

Es mag sein, daß die "soziale Marktwirtschaft" dabei als weniger ausbeuterisch empfunden wird, an ihrem menschenverachtenden Charakter ändert das allerdings wenig, und würde das Grundgesetz in der BRD gelten, wären die Staatsanwaltschaften im Dauereinsatz, von den Schlapphüten der VS-Ämter ganz zu schweigen.

"Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit", verspricht das deutsche Grundgesetz, und fordert gar: "Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen." - dient es "dem Wohle der Allgemeinheit", wenn ein asozialdemokratischer deutscher Kanzler die Besteuerung von Kapitalgesellschaften praktisch abschafft?

Die Unterschiede zwischen BRD und USA sind marginal, wenn es sie überhaupt wirklich geben sollte.

Kapitalismus kann logisch sein, doch am Menschen scheiterte die Logik noch immer - so oder so.

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Meine Damen und Herren,
mir ist da beim Zitieren doch wirklich ein heftiger Fehler passiert. Ich hatte "Gemeinheit" geschrieben statt "Allgemeinheit". Das habe ich jetzt korrigiert ...
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MfG
tw_24