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12. September 2002, 14:49   #2
Pumawoman
 
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Das Miettaxi bringt uns doch ein Stück ins Landesinnere, meine Schwiegermutter und die noch verbleibenden Brüder meines Mannes haben eine gemischte Landwirtschaft zu betreuen. Wir fahren an blühenden Baumwollfeldern vorbei, sehen, wie die Felder bewässert werden, noch wie in grauer Vorzeit, ein Ochse zieht an einem Rad, das Wasser wird hochgepumpt - Staunen, mehr nicht. Jetzt endlich, wir fahren von der Hauptstraße ab, jetzt ist die Straße grad so breit, daß ein PKW fahren kann, rechts neben uns, ein Kanal, links Felder. Reis? In Ägypten? Ja klar, Baumwolle und Reis - das Saatgut wird von der Regierung subventioniert, die Wirtschaftsbanken geben Kredite dafür, die Menschen haben ein leicht gehobenes Einkommen. Kakteen in der Höhe von 20 Meter säumen ein Haus, Federvieh, Ziegen, Wasserbüffel, Gänse und was weiß ich noch alles, läuft vor dem Auto herum. Mir ist schlecht, wenn ich nach links sehe, die Straße mehr als holprig, und ich habe Angst, daß uns ein anderes Auto entgegenkommen könnte. Nein, der Ägypter kann autofahren . Endstation - das Heimatdorf meines Mannes. Wir quälen uns aus dem Fahrzeug, kaum haben wir ein Bein am Boden, werden wir vom Empfangskommitee in die Arme genommen, gedrückt und geküßt, gestreichelt ... Ich weiß nicht mehr, von wievielen Armen ich gehalten wurde, aber soviel Herzlichkeit ist mir noch nie begegnet.

Eine Eskorte führt uns ins Haus meiner Schwiegermutter, etliche Besucher schließen sich uns an. Wir werden durch die Räume geführt, Platz wird angeboten - wollen wir auf einer Couch sitzen oder wie die Einheimischen am Boden? Natürlich am Boden, wir wollen alles genauso erleben, wie es für das Land normal ist. Ein Tisch wird gebracht, die Frauen bringen das Essen (man muß sich mal vorstellen, es war als wir bei meiner Schwiegermutter ankamen ca 4 Uhr Früh , Suppe, Kuskus, eine gebratene Gans, Salate, und selbstgebackenes Fladenbrot. Irgendjemand legt für mich und die Kinder Eßbesteck hin - mein Mann dolmetscht, daß wir genau wie alle anderen mit den Fingern essen werden - Suppe wird aus den Schalen getrunken. Ist ein bißchen eigenartig, aber wir schaffen es bravorös - keine Blamage!

Daß meine Kinder und ich um diese Zeit lieber Kaffee oder Tee getrunken hätten, brauch ich nicht sonderlich hervorzuheben - der europäische Magen ist dieses Mahl um diese Zeit eben nicht gewöhnt. Man war etwas traurig, daß wir nicht essen wollten, nahm es aber dann doch hin, nachdem erklärt wurde, daß es nicht um den Geschmack ging, sondern einfach um die Menge und die Zusammenstellung.

Nachdem auch der letzte der Besucher sein Mahl beendet hatte, gab es Tee. Heiß, sehr stark und verdammt süß. Auch daran kann man sich gewöhnen. Wir saßen noch immer am Boden, als plötzlich eine Frau auf mich zukam und mir eine Decke brachte, die Handbewegung war eindeutig - ich solle meine Beine bedecken. Schiefer Blick zu meinem Mann, warum hast du mir nicht gesagt, daß ich einen knöchellangen Rock tragen soll? Bevor er überhaupt noch antworten konnte, wurde die Frau von meiner Schwiegermutter und den Brüdern meines Mannes dermaßen angefahren, daß ich schon Befürchtungen hatte, sie reißen ihr den Kopf ab. Eine Erklärung bekam ich dann auch: ich war Gast, der erste europäische Gast, der dieses Dorf betreten hat, und ich kann tun und lassen was ich will, ich solle mich nur wohlfühlen. Mein Gott war mir das peinlich, ich stand auf, nahm die Decke und legte sie logischerweise über meine Beine.

Ich habs bis heute noch nicht verstanden, daß Frau in diesen Länden ohne Hemmung ihren Säugling auch in einer Männerrunde (nur ihr bekannte Männer)stillt, aber es verpönt ist, mehr als einen Fußknöchel zu sehen.

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Demnächst gehts weiter