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18. October 2002, 17:29   #4
tw_24
 
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Wird noch ein wenig Lesestoff - Thema: Irak - gewünscht ;-)?

Zitat:
Stellt der Irak eine Gefahr für den Weltfrieden der? Ist Saddam Hussein im Besitz von Massenvernichtungswaffen? Oder behauptet das die Bush-Administration nur, um einen Angriffskrieg zu rechtfertigen, der ganz andere Ziele hat? Es gibt wohl kaum jemanden, der diese Fragen kompetenter beantworten könnte, als der US-Amerikaner Scott Ritter, ehemaliger Offizier des Marine Corps, Golfkriegsveteran und bis 1998 Chef der UN-Waffeninspektoren im Irak.

Mit ihm sprach Johannes von Dohnanyi

konkret: Nach wochenlangem Reden vom Krieg hat Präsident George W. Bush vor den Vereinten Nationen endlich die amerikanische Irakpolitik erklärt. Können Sie jetzt wieder ruhig schlafen?

Ritter: Wären die USA ernsthaft um die Waffenkontrolle und Abrüstung des Iraks bemüht, dann hätte Präsident Bush mit einer mutigen und starken Rede vor den Vereinten Nationen wirkliche Führungsqualitäten beweisen können. Aber weil Bush weniger an der Entwaffnung des Iraks als am Sturz von Saddam Hussein interessiert ist, hat er in Wahrheit keine Kooperation angeboten. Er wollte der Vollversammlung seine politischen Ziele diktieren. Damit riskiert er die Zerstörung der Vereinten Nationen, die über ein halbes Jahrhundert die internationale Zusammenarbeit garantiert haben. Dies ist ein historisch entscheidender, ein sehr gefährlicher Augenblick. Wie soll ich da gut schlafen können?

konkret: Andererseits scheinen Geheimdienstberichte aus London Saddams Kontakte mit Al Qaida zu beweisen. Die Internationale Atomenergiebehörde in Wien hält Nuklearwaffen im Irak nicht mehr für ausgeschlossen. Das Internationale Institut für Strategische Studien (IISS) malt ein wahres Horrorszenario über die Massenvernichtungswaffen des Iraks. Und Sie stellen dem Iraker einen Persilschein aus.

Ritter: Ich habe nie behauptet, daß Saddam Hussein ungefährlich ist. Aber insgesamt haben die UN-Waffeninspektoren, allen Hindernissen zum Trotz, den Irak entwaffnet. Das Problem war die Vorgabe des Weltsicherheitsrats von einhundert Prozent Entwaffnung vor der Aufhebung der Sanktionen.

konkret: Und dieser Nachweis war unmöglich?

Ritter: Wir wußten noch nicht einmal mit Sicherheit, ob es die vermeintlich noch fehlenden zehn Prozent überhaupt gab. Bagdad hat das immer geleugnet.

konkret: Und das haben Sie geglaubt?

Ritter: Nein. Wir haben uns nur noch intensiver mit Saddam Husseins geheimen internen Machtstrukturen beschäftigt. Obwohl die UN-Resolutionen uns das Recht dazu gaben, blockierte der Irak von da an die Inspektionen, weil diese Recherchen angeblich nichts mehr mit der Suche nach Massenvernichtungswaffen zu tun hatten.

konkret: Damit wäre das Mißtrauen der USA gerechtfertigt?

Ritter: Warten Sie. Die USA haben das Wissen der UN-Waffeninspektoren über die geheimen Strukturen des Iraks mißbraucht, um den Widerstand gegen Saddam Hussein zu schüren und einen Putsch zu inszenieren. Aber der Sicherheitsrat hat den Sturz Saddam Husseins oder die Destabilisierung des Iraks nie autorisiert.

konkret: Immerhin hat Bagdad Sie und Ihre Truppe rausgeworfen!

Ritter: Falsch. Washington provozierte mit besonders aggressiven Inspektionen einen Konflikt, für den der Irak dann zur Strafe bombardiert wurde. Kein Wunder, daß Bagdad uns seitdem nur noch als außenpolitische Werkzeuge Amerikas betrachtete und die Inspektoren nicht mehr ins Land zurück ließ.

konkret: Haben Sie als amerikanischer Spion im Irak operiert?

Ritter: Ich habe das Mandat des Sicherheitsrats nie verletzt. Und als ich das nicht mehr garantieren konnte, bin ich gegangen.

konkret: Wie kam es dazu?

Ritter: Unter der Bedingung, daß sie unser Wissen nie für ihre eigenen Zwecke nutzen würden, halfen Geheimdienste verschiedener Länder uns bei der Auswertung der Informationen.

konkret: So naiv können Sie doch nicht gewesen sein!

Ritter: Anders als die USA haben sich Länder wie Deutschland, Frankreich und sogar Israel strikt daran gehalten.

konkret: Und was Sie damals zusammentrugen, plus die Hinweise auf die neuesten Gefahren, läßt Washington jetzt wieder von einer neuen irakischen Gefahr reden.

Ritter: Nur daß ich bis heute keinen überzeugenden Beweis dafür gesehen habe, daß der Irak nach dem Abzug der Inspektoren den Bau biologischer, chemischer und nuklearer Waffen wiederaufgenommen hat. Wissen Sie, anders als George W. Bush habe ich für mein Land gekämpft. Darauf bin ich stolz. Aber von daher weiß ich auch, daß Krieg eine zu ernste Angelegenheit ist, um ihn auf der Grundlage von Spekulationen zu beginnen.

konkret: Alles nur Spekulationen?

Ritter: Fangen wir vorne an. Saddam Hussein ist ein weltlicher Diktator, der den islamischen Fundamentalismus seit dreißig Jahren bekämpft. Osama Bin Laden hält Saddam für einen Apostaten. Es ist absurd zu glauben, daß diese beiden Männer sich gegen die Vereinigten Staaten verbünden könnten.

konkret: Die Internationale Atomenergiebehörde argumentiert mit Fakten.

Ritter: Wenn Sie den Bericht der IAEO aufmerksam lesen, dann steht da drin, daß der Irak keine nuklearen Waffenkapazitäten hat. Die IAEO hat die falsche Interpretation des Weißen Hauses öffentlich dementiert.

konkret: Papiere aus dem Intemationalen Institut für Strategische Studien (IISS) gelten in der Regel als zuverlässig. Auch das IISS warnt vor einer atomaren Bedrohung durch Saddam Hussein.

Ritter: Der IISS-Bericht basiert nicht auf Fakten, sondern auf Spekulationen. Schon die Wahl der Worte ist bezeichnend. Der Irak »könnte bald Atomwaffen haben«, heißt es da. Oder der Irak »könnte dies machen« oder »würde vielleicht« jenes tun. Alles unbewiesene Hypothesen, die um so gefährlicher sind, als sie von Washington als angeblich bewiesene Wahrheiten verbreitet werden.

konkret: Und Ihre Behauptungen sind keine Spekulationen?

Ritter: Die UN-Waffeninspektoren hatten bis 1996 zwischen 90 und 95 Prozent der irakischen Programme für Massenvernichtungswaffen zerstört. Allein für das Atomwaffenprogramm müßte Bagdad Milliarden-Dollarbeträge investieren, um auf den Stand von 1991 zurückzukehren. Das würde entdeckt werden. Aber nicht alles Nuklearmaterial, das angeblich im Besitz des Iraks war, wurde gefunden. Material übrigens, dessen Existenz für uns nie gesichert war. Der IISS-Report geht jetzt einfach davon aus, daß Bagdad dieses Material noch hat. Und das gleiche gilt für die angeblichen chemischen und biologischen Waffen. Ich weiß genug von der Materie, um die Quellen zu kennen, die benutzt wurden. Es ist die Art, wie die Autoren zu ihren Ergebnissen kommen, die mir Angst macht.

konkret: Warum?

Ritter: Da ist etwa Kay Taylor, der Leiter des Washingtoner Büros des IISS und wie ich ein ehemaliger UN-Waffeninspektor. In einem Radiointerview sprach er von einer kleinen Impfstoffabrik, in der das Regime kleine Mengen von Botulinum hergestellt haben soll. Angeblich ist dort auch das Anthrax-Labor von Saddam Hussein angesiedelt. Das Problem ist nur: Taylor behauptet, daß diese Fabrik, die von den Waffeninspektoren zerstört und inzwischen wiederaufgebaut wurde, heute wieder biologische Kampfstoffe herstellt. Er hat zugegeben, daß er dies nicht mit Sicherheit weiß. Ihm genügt es, daß die Iraker theoretisch dazu in der Lage sein könnten.

konkret: Und die chemischen Waffen?

Ritter: Die angebliche Produktion des gefährlichsten Nervengifts VX in kristalliner Form haben wir nie beweisen können. Wir haben Tabun und Sarin gefunden. Beide Kampfstoffe verlieren selbst unter perfekten Lagerbedingungen in fünf Jahren ihre Wirkung. Wir haben die irakischen Tabun- und Sarinfabriken zerstört. Und selbst wenn es da einen nicht entdeckten Rest chemischer Waffen gab, wäre der heute wertlos. Das würde übrigens so ähnlich auch für biologische Kampfstoffe gelten.

konkret: Aber könnte es nicht sein, daß der Irak heimlich die Produktion solcher Waffen wiederaufgenommen hat?

Ritter: Bis 1998 haben die UN-Inspektoren keinen solchen Versuch des Iraks entdeckt, die Chemiewaffen-Produktion wieder zu beginnen. Daß wir uns da recht verstehen: Ich teile die Sorgen, daß etwa Düngemittelfabriken ohne die dauernde Kontrolle der UN-Inspektoren schnell wieder umgerüstet werden könnten. Aber wir können doch nicht einen Krieg beginnen, weil wir glauben, daß der Irak etwas getan haben könnte. Bush muß beweisen, daß genau das geschehen ist.

konkret: US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld behauptet steif und fest, daß die nötigen Beweise im Besitz Washingtons sind. Angeblich hat Saddam Hussein seine Waffenfabriken in den Untergrund verlegt.

Ritter: Das ist dummes Geschwätz. Bis 1998 war ich persönlich für die Suche nach solchen Einrichtungen verantwortlich. Ich hatte spezielle Radaranlagen, mit denen man durch die Erdoberfläche schauen kann. Mit mir arbeiteten von der CIA ausgebildete Geophysiker. Wir haben nicht eine einzige solche Anlage gefunden. Es gibt sie einfach nicht.

konkret: Nur dummes Zeug?

Ritter: Muß ich deutlicher werden? Ich glaube, daß Donald Rumsfeld die Öffentlichkeit belügt.

konkret: Ein schwerer Vorwurf!

Ritter: Es ist unmöglich, Fabriken tief in den Untergrund zu bauen, ohne daß unsere Satelliten das entdecken. Rumsfeld ist von der Idee besessen, Saddam Hussein beseitigen zu müssen. Das ist verantwortungslos. Es verletzt alle Prinzipien, für die dieses Land einsteht. Schon allein deshalb müßte er zurücktreten!

konkret: Präsident Bush scheint seinem Verteidigungsminister aber zu glauben.

Ritter: Und damit bleiben nur zwei Alternativen. Entweder hat Rumsfeld neben dem Kongreß auch den Präsidenten belogen. Oder der ist sein Komplize bei dem Ganzen.

konkret: Welchen Grund sollte die Administration haben, ohne Not einen Krieg loszutreten?

Ritter: Ganz einfach. Die Neo-Konservativen um Bush haben zuviel politisches Kapital in die Beseitigung Saddam Husseins investiert, als daß sie da jetzt noch rauskönnten. Ich kann es nicht akzeptieren, daß wir unsere Soldaten gefährden, eine ganze Region destabilisieren und der irakischen Bevölkerung noch mehr Leid zufügen sollen, nur weil das irgend jemandem gerade in die politische Agenda paßt!

konkret: Um das zu verhindern, waren Sie kürzlich zu Gesprächen im Irak. Was haben Sie den Vertretern des Regimes gesagt?

Ritter: Daß sie keine Alternative haben, als die UN-Waffeninspektoren ohne jede Bedingung wieder ins Land zu lassen, wenn sie als Nation nicht vernichtet werden wollen.

konkret: Das Wort »bedingungslos« dürfte in Bagdad kaum Begeisterung ausgelöst haben.

Ritter: Immerhin haben sie versprochen, noch einmal darüber nachzudenken. Es gab ja auch eine gute Nachricht.

konkret: Welche?

Ritter: Wenn der Irak die Inspektoren wieder ins Land läßt, dann wollen einige Staaten wie Kanada, Südafrika und Belgien eine Rolle als ehrbare Vermittler oder, wenn Sie so wollen, als Kontrolleure übernehmen. Diese Staaten würden dafür sorgen, daß die Waffeninspektoren nicht mehr wie früher das Mandat der Vereinten Nationen verletzen und den Irak ausspionieren. Kurz und gut, ich habe dem Regime einen Ausweg gezeigt, mit dem einerseits der Krieg vermieden und zugleich die Würde und Souveränität des Iraks gewahrt werden könnte.

konkret: So einfach wäre es, den Krieg zu vermeiden?

Ritter: Ich habe es den Irakern immer wieder gesagt: Erlaubt den UN, eure Entwaffnung zu zertifizieren - und Washingtons Politik wird zusammenbrechen. Ich glaube, daß sie das verstanden haben. Aber natürlich liegt die letzte Entscheidung bei Saddam Hussein. Der Ball liegt jetzt in seiner Spielhälfte.

konkret: Wie hat Washington auf Ihre Reise reagiert?

Ritter: Deren Strategie ist es, mich zu ignorieren. Bushs Berater Richard Perle hat öffentlich gesagt, daß jede Auseinandersetzung mit meinen Positionen mich nur glaubwürdiger machen würde.

konkret: Auch weil Sie vor einem militärischen Abenteuer warnen?

Ritter: Wenn die irakische Armee sich einer offenen Schlacht stellen würde, würden etwa 250.000 Soldaten reichen. Aber um Saddam Hussein und sein Regime aus Bagdad zu vertreiben, bräuchte man wohl viermal so viel. Wissen Sie, was es dann bedeuten würde, den Nachschub und die Verbindungswege zur Front zu sichern? Im Norden müßten die Kurden ruhig gehalten werden, damit die Türken nicht eingreifen. Die Westgrenzen müßten kontrolliert werden, damit der Irak keinen Angriff auf Israel starten kann.

konkret: Die offizielle Rede ist von höchstens 130.000 Soldaten.

Ritter: Ein klares Rezept für eine Katastrophe. Denn aus der Luft allein ist das nicht zu machen. Den nächsten Irakkrieg werden Bodentruppen gewinnen müssen. Aber die Politik hat den Militärplanern die Zügel aus der Hand genommen. Außenminister Colin Powell verletzt seine eigene Doktrin, daß die USA nur Kriege führen sollen, für die zu kämpfen es lohnt. Und dann auch nur mit erdrückender Übermacht. Nichts davon scheint mehr zu gelten.

konkret: Wieviel Zeit bleibt den Irakern noch, sich zu entscheiden?

Ritter: Nicht mehr viel. So, wie Präsident Bush redet, glaube ich nicht, daß der irakischen Regierung mehr als ein paar Wochen bleiben. Ich schäme mich, dies so sagen zu müssen. Aber es ist meine Regierung, die mit ihrer unilateralen Politik den internationalen Frieden und die Sicherheit gefährdet. Und die riskiert, daß ein Drittweltstaat den USA kräftig in den Hintern tritt.

...

Böse Pannen

von Jürgen Elsässer

Für einen Präventivkrieg gegen den Irak gibt es keine Argumente. Die Propagandamaschine von Bush und Co. arbeitet allein mit faktenresistentem Meinungsterror

Die Operation »Desert Storm« im Jahre 1991 forderte mindestens 150.000 Opfer. Diesmal werden es mehr sein, denn erklärtes Ziel der USA ist der Sturz Saddam Husseins - das erfordert die Eroberung von Bagdad.

Mit welchen Argumenten wird das avisierte Blutbad gerechtfertigt? Am 12. September erinnerte US-Präsident Bush vor der UN-Vollversammlung daran, daß die Weltorganisation aus der Anti-Hitler-Koalition hervorgegangen ist. Das irakische Regime stelle »genau jene aggressive Bedrohung dar, die abzuwehren die Vereinten Nationen geboren wurden«.

Saddam als Wiedergänger Hitlers? Das war schon 1991 falsch und ist jetzt vollends verrückt. Nazi-Deutschland war eine der Großmächte der damaligen Zeit und bis an die Zähne bewaffnet. Der Irak dagegen ist ein verarmtes Schwellenland, 1991 besiegt, in der Folge zwangsabgerüstet und durch die über zehn Jahre währenden Sanktionen von neuer Technologie weitgehend abgeschnitten. Beinahe jede Woche werden irakische Städte von Flugzeugen der USA und Großbritanniens bombardiert.

Als Präsident Kennedy 1961 Kuba angreifen wollte, zeigten seine Emissäre in der UN-Vollversammlung Satellitenaufnahmen von sowjetischen Raketenstellungen auf der Insel. Bush malte vor der UNO die Gefahr von Massenvernichtungswaffen im Irak an die Wand, sparte sich aber die Beweise. Neben Arroganz hat das noch einen ganz schlichten Grund: Es gibt keine Beweise - trotz Riesenfortschritten in der Satellitenüberwachung seit Kennedys Zeiten. Bush ersetzte Argumente durch Erpressung: Wenn die UN nicht mitzieht, machen es die Amerikaner alleine.

Sein Vorsatz, den Irak anzugreifen, steht seit langem fest und hatte von Anfang an nichts mit einer Gefährdung des Weltfriedens durch Saddam zu tun. Die US-Medien haben veröffentlicht, was Verteidigungsminister Donald Rumsfeld bereits am Nachmittag des 11. September 2001 von sich gab, als ihm die Geheimdienste erste Erkenntnisse über die mutmaßlichen Attentäter übermittelt hatten: »Judge whether good enough hit S.H. at same time. Not only OBL« (S.H. = Saddam Hussein, OBL = Osama Bin Laden). Und weiter: »Go massive ... Sweep it all up. Things related and not.«

Die Versuche der US-Administration, den nackten Vorsatz mit Argumenten zu unterfüttern, sind allesamt kläglich gescheitert:

- Die Verbindung des Baath-Regimes zu den Selbstmordbombern des 11. September: Die Geschichte von einem angeblichen Treffen zwischen irakischen Agenten und Mohammed Atta in Prag ließ die US-Regierung im Mai 2002 offiziell fallen. Als Regierungsberater Richard Perle am 8. September gar von einem Treffen Attas mit Saddam Hussein in Bagdad berichtete, wurde er noch am selben Tag - böse Panne! - von Bushs Sicherheitschefin Condoleezza Rice korrigiert. Im CNN-Interview gab sie zu, nichts über Verbindungen zwischen Al Qaida und dem Irak in der Hand zu haben.

- Die Verwicklung Saddams in die Milzbrand-Briefsendungen: Die »Süddeutsche Zeitung« schrieb dazu Ende März: »Es gilt als sicher, daß es sich bei dem Absender der tödlichen Post um einen Staatsbürger der USA handelt, der zudem früher für das amerikanische Biowaffen-Programm gearbeitet hat. Es dauerte eine ganze Weile, bevor die Fahnder zu diesem Schluß kamen. Denn in den ersten Wochen nach dem Auftauchen der Milzbrand-Briefe ermittelten sie in die falsche Richtung - und zwar auf ausdrückliche Anweisung, aus dem Weißen Haus. Denn Präsident Bush wünschte persönlich einen Nachweis für seinen Verdacht, daß der Irak hinter den Anschlägen steckte.«

- Eine Gefahr durch irakische Massenvernichtungswaffen verneint UN-Waffeninspektor Scott Ritter mit Nachdruck in einem Interview in diesem Heft (, s.o. [tw_24]).

Die Entschlossenheit, mit der die USA ohne jeden Anlaß den Krieg beginnen wollen, stellt selbst frühere Aggressionen in den Schatten. So gab es sowohl 1991 als auch 1999 und 2001 konkrete Ereignisse, die dem militärischen Eingreifen wenigstens auf den ersten Blick eine Legitimation gaben: 1990 hatte Saddam Hussein Kuwait annektiert; dem Bombenkrieg gegen Jugoslawien gingen mehrmonatige bürgerkriegsähnliche Auseinandersetzungen im Kosovo voraus; der Angriff auf Afghanistan konnte sich als Reaktion auf den 11. September ausgeben. Sicherlich hielten die Kriegsbegründungen auch in diesen Fällen einer genaueren Prüfung nicht stand. Doch es hatten immerhin tatsächlich mörderische Scheußlichkeiten stattgefunden, die sich - mit ein wenig geheimdienstlicher Nachhilfe - zu Kriegsgründen modeln ließen.

Unbestritten: Saddam Hussein ist ein blutiger Despot, kein Vergleich mit dem Sozialdemokraten Milosevic. Doch von solchen Herrschern gibt es drei Dutzend auf der Welt, allein die arabische Halbinsel ist voll davon. Sollen jetzt alle durch Krieg beseitigt werden? Vor allem: Saddam hat einen Gutteil seiner Schandtaten im Auftrag der NATO-Führungsmächte oder zumindest nach Absprache mit ihnen vollbracht. So war sein Feldzug gegen den Iran zu Beginn der achtziger Jahre den USA ganz recht, denn damals galt das Khomeini-Regime als die größte Bedrohung. Die USA unterstützten sogar den Einsatz von C-Waffen gegen die Teheraner Revolutionsgarden, wie die »New York Times« am 18.8.2002 berichtete: »A covert American program during the Reagan administration provided Iraq with critical battle planning assistance at a time when American intelligence agencies knew that Iraqi commanders would employ chemical weapons.«

Das Gift zur Vergasung von Kurden in Halabja und anderswo lieferten bekanntlich deutsche Firmen, die Regierung Kohl stellte Exportgenehmigungen aus. Auch den Einmarsch in Kuwait hatte Saddam mit den USA abgesprochen. Über ein Gespräch, das er wenige Tage zuvor mit US-Botschafterin Glaspie hatte, schreibt die »Washington Post«: »It is quite clear from the typescript of that meeting that Saddam asked permission from the United States to invade Kuweit, and it is equally clear that Glaspie, relaying the then-Secretary of State James Baker's words, gave him that permission.«

Gegner eines erneuten Krieges gegen den Irak werden in Deutschland und anderswo mit dem Vorwurf des Antiamerikanismus belegt. Würde das zutreffen, wären auch Bush senior und seine Berater Antiamerikaner: Sie, die 1991 für »Desert Storm« verantwortlich waren, sind allesamt auf Distanz zum schießwütigen Junior gegangen (»Bush and father at odds over Iraq strike« - www.timesonline.co.uk, 26.8.2002).

Richtig ist vielmehr: Wer angesichts des Amoklaufs des US-Präsidenten nicht ein paar antiamerikanische Reflexe verspürt, ist hirntot, seine Körperfunktionen werden nur noch durch Infusionen der imperialistischen Propagandamaschine in Gang gehalten. Selbstverständlich sind solche Reflexe, wenn sie sich zu Ideologie und Rassismus verfestigen, gefährlich. Doch es gibt etwas, das hierzulande noch gefährlicher ist: wenn Menschen den Drang verspüren, ohne jede stichhaltige Begründung Krieg zu führen - heute gegen den Irak, morgen gegen den Iran oder Saudi-Arabien, übermorgen gegen Israel und die USA.

(Quelle: konkret 10/2002)
MfG
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