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4. June 2003, 13:15   #12
Eyewitness
 
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Es ist ja schließlich auch eine Definitionssache. Die Entführungssituation ist doch immer wieder passend. Frau entführt, Täter gefaßt, Frau noch irgendwo versteckt, Täter schweigt.

Jetzt stellt sich die Frage, hatte der Täter Mittäter? Ist die Frau schon tot? Ist es jetzt gerechtfertigt, eine Aussage auszupressen? etc. Als Angehöriger beantwortet man das natürlich mit Ja, logisch, ich würde auch nicht anders handeln.
Aber kann die Polizei das wirklich machen? Muß die Polizei nicht trotzdem immer noch die Menschlichkeit bewahren, die sie zu schützen versucht? Was, wenn der vermeintliche Täter nur jemand ist, der durch einen dummen Zufall zur falschen Zeit am falschen Ort war? Unter Folter macht jeder ein Geständnis.

Wo zieht man die Grenze, ab wann will man Folter erlauben? Per Fallbeschreibung ist das nicht möglich. Und anders wird es immer Grauzonen geben. Es wird immer jemanden geben, der die Grenzen weichklopft, der die Folter zum persönlichen Erfolg mißbrauchen wird.

Oder noch ein anderer Aspekt, der ganz wichtig ist, für die Folternden. Wer einmal anfängt, wird den Respekt gegenüber einem Menschen verlieren, er wird andere nur als wertlose Tiere ansehen, um es drastisch auszudrücken. Die psychologischen Folgen für den Folternden werden grausam sein. Entweder er kommt mit seinen eigenen Taten, die er ja dann unter Zwang des Gesetzes durchführen müßte, nicht klar, oder er wird zu einem sadistischen Schwein. Wollen wir das?

Es geht bei der Frage um Folter auch um Regeln und gesellschaftliche Standards. Wenn wir dem Staat die Folter erlauben, dann erkennen wir Gewalt als Methode zur Lösung von Konflikten und als rechtmäßig an. Mal ganz ehrlich, wollen wir uns wirklich so weit zurückbegeben. Ich denke nicht. Eigentlich sind wir doch stolz darauf, daß wir Gewalt verabscheuen und daß wir von der Gewalt weg wollen. Die Folter, in welchem Umfang auch immer, wäre doch der falsche Weg.

Abgesehen davon: wenn wir die Folter einführen, dann wird sie irgendwann normal. Irgendwann wird sich die Frage stellen: Warum foltern wir nur Sexualverbrecher, warum nicht auch Mörder? Und das ganze wird weitergehen, bis wir beim normalen Dieb sind. Und spätestens beim Mörder sollte aber jedem klar sein, daß viele unschuldige gefoltert werden, weil nicht jeder unter Mordverdacht stehende schuldig ist. Aber durch die Anwendung der Folter wird er ja schon fast als schuldig betrachtet, was wiederum auch gegen die Verfassung verstoßen würde.

Ich bin gegen Folter. Natürlich verstehe ich Menschen, die rasend werden, wenn ihren Angehörigen Schmerz zugefügt werden und ich schließe mich da nicht aus. Aber darum geht es nicht. Es geht darum, daß der Staat Standards setzen muß, die unsere Gesellschaft in die richtige Richtung bewegen. Folter bewegt uns in die falsche Richtung.

Und ja, die Diskussion hatten wir schon mal vor einiger Zeit.

Edit: Auf Ogino bezogen: Die Rechte der Masse sind wichtiger als die Rechte des Einzelnen. Wenn einer geopfert werden muß, damit die Gesellschaft sich nicht falsch verhält, dann ist dieses Opfer akzeptabel.