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16. November 2003, 00:47   #4
Ben-99
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… ich weiß ja nicht, ob hier die Frage gestattet ist – aber wundert Ihr Euch nicht auch manchmal darüber, daß Leuten, denen sonst alle Arten von Gedenkstätten am Arsch vorbei gehen und die sich auch sonst noch nie über Verschwendung öffentlicher Gelder und schon gar nicht über die Qualität von Kunstwerken ausgelassen haben, jetzt plötzlich ausgerechnet beim Holocaust-Denkmal so ein Tamtam veranstalten?

Auf einmal halten sie es für unheimlich wichtig, ihre Antipathie dagegen auszudrücken und kommen uns mit immer neuen Argumenten, warum man zwar jahrzehntelang für alles Mögliche den Architekten und Künstlern Geld in den Arsch schieben durfte – nur eben nicht jetzt, wenn es um die Errichtung eines Mahnmals für 6 Millionen von Deutschen getöteter jüdischer Mitbürger geht.

Da kommen sie jetzt auf einmal überall auf den Boards aus ihren Löchern gekrochen und möchten gern darüber fachsimpeln, wie ein wirklich „hübsches“ pflegeleichtes Denkmal auszusehen hätte, das vor allem nicht den prunkvollen Kern unserer schönen Hauptstadt „verschandeln“ sollte. Und wenn überhaupt, dann sollte es auch wenigstens viel „kleiner“ und „unauffälliger“ sein. Man muß ja nicht gleich schon wieder so protzen – wie damals, als unsere Verwandten es zuließen, daß der bis heute größte politisch motivierte Massenmord in der Geschichte der Menschheit ausgerechnet auf deutschem Boden stattfinden mußte.

Und wenn schon damals in bezug auf die Opferzahl so geklotzt wurde, sollten wir uns doch heute lieber bescheiden geben. Würde nicht auch eine schlichte hübsche Gedenktafel irgendwo in der Eingangshalle des in seinen Ausmaßen wieder einmal gigantischen Kanzleramts-Gebäudes reichen, das noch von Helmut Kohl in Auftrag gegeben wurde und in seiner großkotzigen Üppigkeit an Hitlers Neue Reichskanzlei in der Voßstraße erinnert?

Ich könnte noch viel über die zur Zeit auf fast auf allen Boards anzutreffende heuchlerische und entlarvende Empörung über die Gedenkstätte schreiben, aber belasse es mal einfach bei der Feststellung, daß das Berliner Mahnmal schon vor seiner Fertigstellung bereits einen wichtigen Zweck erfüllt hat. Denn jetzt wissen wir zumindest, wie wenig die Enkel der Täter auch nach 60 Jahren kapiert haben, wie sehr sie sich mit ihrem Halbwissen blamieren und wie wenig sie bereit sind dazuzulernen. Allein das macht sie wieder zu potentiellen neuen „Tätern“.

Daß unter den sich künstlich aufregenden Kritikern des Mahnmals, die ich auch gern als dumpfe revanchistische „Ewiggestrige“ bezeichne, auch Boardies anzutreffen sind, die sich sonst immer gern betont „locker“, „witzig“ und „progressiv“ geben, sollte uns besonders zu denken geben und uns veranlassen, in Zukunft auch mal ihre Beiträge zu anderen scheinbar „belanglosen“ Themen zu überprüfen, die uns dann vielleicht auch in einem ganz anderem Licht erscheinen werden.

Gruß Ben