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17. November 2003, 02:48   #7
Ben-99
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… darin, Aka, daß so ein Mahnmal wenig gegen die Dummheit der Menschen ausrichten kann und schon gar nicht neues Blutvergießen verhindern wird, sind wir uns völlig einig.

Ich würde das Thema ja auch gar nicht so hochspielen, wenn andererseits auch die anderen User, denen sonst auch meist alles egal ist, wenn es um „Verschwendung“ geht, nicht so einen Terz veranstalten würden, nur weil es diesmal um die Opfer des Holocaust geht.

So etwas Ähnliches hatten wir ja schon mal bei der sogenannten „Wehrmachts-Ausstellung“ erlebt. Da kochte das edle deutsche Blut dann auch über, als man den Leuten mal zeigte, daß nicht nur die SS-Schergen und andere aktive Nazis, sondern eben auch unsere „tapferen“ Wehrmachts-Soldaten an Folterungen, Morden und anderen Kriegsverbrechen beteiligt waren. Denn natürlich hätte Hitler ohne den vorauseilenden Gehorsam seiner wackeren Generäle nie geschafft, unser Land in Schutt und Asche zu legen und dabei noch 50 Millionen andere Menschen als Opfer des Zweiten Weltkriegs mit in den Tod zu reißen.

Aber wir sehen auch hier: Solange man nur nebelig und pauschal Hitler und das Dritte Reich kritisiert, ist alles in bester Ordnung. Aber wehe, wenn die „Täter“ mal konkret beim Namen genannt werden, wenn also auch unser „lieber“ Opa mit ins Spiel kommt, dann läuft alles gleich Amok, weil eben nicht sein kann, was nicht sein darf. Denn: Natürlich hat „unser Opa“ immer nur brav in der Wehrmacht gegen den Feind gekämpft, und natürlich konnte „Oma“ doch nicht ahnen, daß die Nazis, die sie gewählt und denen sie bis zum Schluß zugejubelt hat, solche „unschönen“ Dinge gemacht haben.

Ich nehme mal an, daß wir hier auf den Boards alle wollen, daß sich so etwas nicht noch einmal wiederholt. Und ich bin auch überzeugt davon, daß keiner von den Mahnmal-Kritikern zum braunen Sumpf gehört – jedenfalls nicht in unserem eher liberalen Teil der Board-Szene.

Und dennoch meine ich, daß einige von uns auch nach 60 Jahren noch immer nicht kapiert haben, worum es eigentlich geht. Und um diese Leute zum Umdenken anzuregen oder sie dazu zu bewegen, sich überhaupt mal mit diesem scheußlichen Teil unserer Geschichte auseinanderzusetzen, ist es eben notwendig, sie auch mit Dingen zu konfrontieren, die sie schmerzen.

Die „Wehrmachts-Ausstellung“, aber auch ein Mahnmal wie es zur Zeit in Berlin errichtet wird, soll nämlich bewußt „wehtun“, indem es uns schonungslos daran erinnert, daß die „Täter“ auch in unseren eigenen Familien zu finden sind. Denn erst wenn wir bereit sind, das einzugestehen, haben wir überhaupt erst einmal den ersten wichtigen Schritt gemacht, indem wir gelernt haben, daß sich das Grauen manchmal auch hinter den sympathischen Gesichtern unserer Omas und Opas verbergen kann, die doch zu uns immer so „lieb“ waren und uns als Kind jeden Wunsch von den Augen abgelesen haben.

Die Member, die sich hier so übertrieben über das Mahnmal aufregen, sind sicherlich zu jung, als daß sie die Chance gehabt hätten, ihren wohl eher Ur-Opas die bewußten kritischen Fragen zu stellen. Doch ich gehöre noch zu der Generation, die das konnte und habe auch regen Gebrauch von diesem Fragerecht gemacht. Und immer war ich erschüttert, wenn ich die meist feigen ausweichenden Antworten hörte.

Wenn Ihr schon nicht in einer Zeit aufgewachsen seid, in der die Täter noch unter uns lebten und man sie direkt auf ihre Kacke ansprechen konnte, die sie als „brave“ Angehörige der „Schweigenden Mehrheit“ verzapft haben, dann hört wenigstens auf, die Dinge zu verharmlosen, indem Ihr Euch wie in diesem Fall an der „künstlerischen Umsetzung“ des Mahnmals stört oder sogar von „Verschwendung“ redet.

Genau wie die Zeit, die ich mir gerade dazu genommen habe, diesen Beitrag zu schreiben, ist auch jedes Mahnmal, das uns in einer Zeit des wieder mal aufkeimenden braunen Gedankenguts die Augen über das Unheil öffnen soll, was vor vielen Jahren schon einmal ganz harmlos bei uns begonnen hat, alles andere als „Verschwendung“.

Also bleibe ich dabei: Solange man solche von mir kritisierten Postings liest, die zur Zeit auf anderen Boards sogar noch in viel schlimmerer Form bestaunt werden können, halte ich alle Mahnmale, Gedenkstellen und Ausstellungen nicht nur für sinnvoll, sondern sogar für dringend nötig, damit das für viele noch immer „unbequeme“ Thema auch weiterhin in den Themen-Charts ganz oben bleibt, bevor wir unsere Zeit dann wieder mit Abstimmungen über Klo-Papier und unsere Kohle für Games, Musik-CDs und Movies „verschwenden“.

Und natürlich ertappe ich mich selbst auch ständig dabei, wie ich lieber von einer ernsten politischen Sendung im Fernsehen auf „Ozzy“ umschalte oder mir lieber eine schöne CD oder einen unterhaltsamen Film reinziehe als mir Gedanken über solche Dinge zu machen.

Aber ich käme wiederum auch nie auf die Idee, mich in solch auffälliger Weise derart abfällig über ein Mahnmal auszulassen, das wir Deutschen uns nun mal leider „redlich verdient“ haben. Und genau das stört mich im Augenblick bei den beschämenden Diskussionen, die man zur Zeit quer durch die gesamte angeblich so „progressive“ Board-Szene verfolgen kann.

Gruß Ben