Thema: Männertypen
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27. September 2001, 21:26   #8
Schatz
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Der Stammtischbruder



Es beginnt unten in der Tiefebene der Fanclubs und Stammtische, dort erhebt sich das plebejische Krakeelparlament. Das Gremium ist die Horde im Zustand der Veredelung und immer noch ein vergleichsweise rätselhaftes Soziotop, Frauen werden darin selten heimisch.

Unterschieden werden muss zwischen zehn Gremientypen:

1) Der Verhinderer: Er ist ein Feind aller Leistungswilligen. Sein oberstes Ziel besteht darin, jede Aktivität zu ersticken. Psychologisch leidet er am "I plus N"-Syndrom, der Kombination von Inkompetenz und Neid.

2) Der Chaot: Für ihn ist das Gremium eine Maschine zur Produktion von Turbulenzen.

3) Der Gesellige: Für ihn ist das Gremium der Ersatz des Freundeskreises, den er nicht hat. Seine größte Angst ist, dass die Gremiensitzung je zu Ende gehen könnte.

4) Der Betroffene: Er findet im Gremium eine Plattform für Appelle, eine Gelegenheit, seine Wut und Trauer zu zeigen und seine Betroffenheit vorzuführen. Bei jeder Gelegenheit spielt er das Gewissen der Welt.

5) Der Inquisitor: Er lenkt die Wut und die Trauer des Betroffenen in die verfahrenstechnischen Bahnen der heiligen Inquisition. Wo moralische Prinzipien sind, sieht er Ketzer. Und wo er Leiden spürt, sucht er nach Schuldigen. Er ist der Hohepriester der politischen Korrektheit.

6) Der Theatraliker: Auf der Bühne ist sein Zuhause, hier kann er sich für seine Wählerschaft und seine Fangemeinde sichtbar machen. Sie brauchen den großen Auftritt, den spektakulären Prinzipienstreit, die demonstrative Geste, die außerordentliche Gelegenheit.

7) Der Schlichter: Er ist der Moralist der zweiten Ebene, sozusagen der Parasit des Gremiengezänks. Bei jedem größeren Streit tritt er auf den Plan wie der Erzengel Gabriel nach dem Sündenfall.

8) Der Pedant: Er ist der Virtuose der Anfrage und der Kontrolleur des Protokolls. Für ihn ist die Zügigkeit der Verhandlung gleichbedeutend mit Oberflächlichkeit. Deshalb hat er ein feines Gespür für Timing.

9) Der Erzähler: Er ist der Repräsentant des Lebensstoffs, der jeden Formalismus überwuchert wie der Dschungel die Mauern der Ruinenstadt. Jede Problemlage wird für ihn zur Novelle ausgeweitet.

10) Der Spieler: Er liebt Gremien wie andere den Fußball lieben. Er verfolgt die Dramaturgie einer Sitzung mit der gleichen fachlichen Hingabe, die ein Fußballanhänger dem Spiel seines Vereins widmet.

Stammtischbrüder sind Männer, die nicht Mitglieder eines Ausschusses oder eines Komitees sind. Sie gründen informelle Runden, zu denen sie sich regelmäßig versammeln, hier werden bei reichlich Alkoholgenuss zwanglos die Dinge des Alltags besprochen.

Sprücheklopfer und Witze-Erzähler gehören gemeinhin auch zu dieser Gruppe. Dieser Kommunikationsform können Frauen selten etwas abgewinnen. Die mangelnde Übung in dieser Disziplin hat einen Grund: Frauen kennen den Notstand nicht, der das Sprücheklopfen der Männer erst ermöglicht: Wenn sie nicht politisieren oder sonstige Debatten führen, stehen die Männer plötzlich vor der schrecklichen Aussicht, sich über persönliche Dinge unterhalten zu müssen.