Thema: Aus dem Leben
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15. December 2003, 23:43   #57
Akareyon
 
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Beiträge: 2.823
Ab einem bestimmten Punkte habe ich leider verpasst, daß sich dieser Thread zu einer ernsthaften Diskussion entwickelt hat - und demnach erst eben gerade die komplette Argumentationsfolge gelesen.

Ich bin Ende 22. Andere in meinem Alter haben schon zwei bis drei Nachkommen gezeugt, in meinem eigenen, engeren Freundeskreis gibt es zwei gleichaltrige Mädels, die bereits Kinder haben. Ich bin weit davon entfernt, schon allein, weil ich nichtmal einer festen Beziehung, geschweige denn einem Kind die notwendige finanzielle oder emotionale Sicherheit geben kann.

Kinder sind was wunderbares. Ich könnte sie manchmal an die Wand klatschen, wenn sie zu mir an die Tanke kommen und Kaugummis und Lollis holen, ekelhaftige Bratzen. Und dann wieder, so'n Lütter, 'n krausblonder Bengel... schießt es durch den Kopf: "Auch so eins haben will... menno."

Vorhin kam ich von einem Mini-Einkauf nach Hause, es war schon dunkel, in der Lederjacke hatte ich Haarspülung und eine Flasche Smirnoff Ice, bloß für die Cola hatte ich keine Tasche, die trug ich in der Hand. Und ich bin fast zu Hause, eine kleine Familie schließt die Tür zu ihrem Hausflur auf, und der fünfjährige Filius bedroht seinen Papi mit einem Schneeball. Dann sieht er mich, grinst und zielt auf mich. Erst gucke ich ihn verdutzt, dann gespielt böse an, dann nehme die Cola-Flasche wie einen Baseballschläger hoch und bringe mich in Position - wirf doch. Und plötzlich fängt er an zu gackern und kriegt sich gar nicht mehr ein.

Einerseits möchte ich auch Kinder haben, später mal. Und alles besser machen als meine Alten. Und auch nur mit der Frau, von der ich sicher sein kann, ein Leben lang zusammensein zu können - und das nicht bloß, weil irgendwann im Laufe der Beziehung klar wird: das halten wir durch, bis die Kiddies aus dem Haus sind. Oder noch schlimmer: das halten wir nicht mehr aus, laß uns einen Sorgerechtsstreit anfangen. Meiner Tochter würde ich beibringen, ein fernsteuerbares Lego-Auto zu bauen, ihren PC zu übertakten und wie sie ihren Golf IV auf mindestens 450 PS tunen kann. Mit meinem Sohn würde ich nach einer langen Gebirgswanderung ein ernsthaftes Männergespräch bei einem oder zwölf Glas Grog führen und im Zelt in Finnland übernachten.

Doch ist es nicht genau das, was Ben meint, wenn er von Egoismus spricht? Ich will, ich wünsche, ich träume, ich hätte gerne. Wenn ich ein Kind zeuge, ist da ein neuer Mensch, der braucht erstmal Schutz, und irgendwann will dieser neue Mensch, er wünscht, er träumt, er hätte gerne. Und das alles in einer Welt, die einfach mal scheiße ist. Die er vermutlich genausowenig mögen wird wie ich. Er wird leiden und sich freuen, und ich werde nichtmal besonders großen Einfluss darauf haben, wovon ihm am meisten gegeben sein wird. Ich kann ihn vorher nicht fragen, ob er es trotzdem versuchen möchte - aber er wird mir nicht böse sein, wenn ich ihm all das nicht antue.

Im hiesigen Raum gibt es einen Kino-Werbespot mit einer Mikroskop-Aufnahme einer Eizelle, die von mehreren Spermien umrundet wird. Mehrmals erscheinen auf dem Bildschirm ein paar gute Gründe gegen ein Kind: die Chance, behindert zur Welt zu kommen: soundsoviel Prozent. Die Chance auf einen Arbeitsplatz: soundsoviel Prozent. Et cetera. Jedesmal schrecken die Spermien auf und wuseln wieder davon. Letztlich, nach mehreren Anläufen und Argumenten gegen die Zeugung, schwimmt die Eizelle einem Spermafaden hinterher und fängt sie PacMan-like ein, und die Schrift auf der Leinwand fragt: "Doch gibt es nicht wichtigeres als Fakten?" (Der Spot ist für die Westdeutsche Zeitung)

Gute Frage - hm. Die Verantwortung für Menschenleben beispielsweise?



BTW: GlüWü macht in diesem Thread tatsächlich gute Arbeit, das wollte ich noch erwähnt wissen.