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26. January 2004, 04:45   #1
Ben-99
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Die Nachricht vom Tod Helmut Newtons ...

... hat mich sehr traurig gemacht. Denn schon als Teenager war ich ein Verehrer dieses Ausnahme-Künstlers und hatte mich später oft spaßeshalber von Freunden und Kollegen testen lassen, ob es mir wirklich immer gelingt, seine Bilder auf Anhieb zu erkennen. Und es gelang mir tatsächlich fast jedes Mal, obwohl er im Gegensatz zu vielen anderen Fotografen meist nur einen minimalen technischen Aufwand betrieb und - scheinbar langweilig - meist nur Objektive mit normalen Brennweiten benutzte. Aber vielleicht war es ja gerade das.

Denn Newton machte auch den bescheuerten Trend in den späten 70ern nicht mit, als jeder Mode-Fotograf ein lichtstarkes 300er vor seine Nikon klatschte, um den Hintergrund völlig aufzulösen. Denn auf diese Art kann fast jeder Trottel mit einem halbwegs guten Model brauchbare Bilder zaubern. Leider hat sich - zumindest in den altbackenen Frauen-Zeitschriften von "Brigitte" bis "Petra" - bis heute nicht viel in dieser Hinsicht geändert.

Newton hatte das nicht nötig. Denn er verstand es noch, ein Bild zu komponieren und setzte oft sogar leichte Weitwinkel-Objektive ein, um seine Modelle mit dem Hintergrund zu verschmelzen. Daß so etwas gerade bei Porträts und Akt-Aufnahmen oft nicht gut geht, weiß jeder Hobby-Knipser. Aber von denen hat es ja auch niemand zu einer lebenden Legende geschafft, die nun nach einem tragischen Auto-Unfall in Hollywood mit 83 Jahren ins Reich der wirklich Unsterblichen hinübergegangen ist.

Helmut Newton war aber auch in anderer Hinsicht liebenswert. Vor allem, weil er der kaputten Mode- und Glamour-Szene gezeigt hat, daß man auch als Star-Fotograf nicht arrogant sein muß, obwohl sein Management es geschickt verstand, die Honorare in astronomische Höhen zu treiben, so daß er unter 50.000 Dollar kaum Lust verspürte, irgend jemand abzulichten. Und selbst dann mußten die Leute noch froh sein, daß er den Job überhaupt annahm.

Nichts davon ist in den vielen Interviews und Film-Dokumentationen zu spüren, in denen man immer nur einen sympathischen, hochgescheiten und vor allem bescheiden gebliebenen Künstler erlebt, der sich oft mit viel Humor selbst auf die Schippe nimmt, so wie es auch Karl Lagerfeld manchmal macht, aber eben nur auf eine sehr viel natürlichere Art, so daß es bei Helmut Newton auch viel glaubhafter wirkte.

Vor allem empfand ich es als eine sehr sympathische Geste, daß er erst noch vor kurzem seinen gesamten Nachlaß seiner Heimatstadt Berlin anvertraut hat, von wo man ihn mal in der dunkelsten deutschen Epoche als Jude, der damals noch Helmut Neustädter hieß, wie ein Ungeziefer vertrieben hatte. Nach einer Odyssee, die ihn unter anderem nach Australien, England, Frankreich und Amerika führte, kam er dann nach vielen Jahrzehnten als international gefeierter Künstler wieder zurück in seine Heimat. Nicht etwa, um mit dem Volk abzurechnen, das ihn seinerzeit weggeekelt hatte, sondern um demonstrativ zu zeigen, daß er Berlin und überhaupt sein Heimatland Deutschland nach wie vor trotz allem immer noch liebt.

Bewegend fand ich die Aufnahmen, die ihn vor noch gar nicht langer Zeit in einem Fernseh-Interview zeigten, als er genau auf dem Bahngleis stand, von wo er damals seine Flucht aus Berlin antreten mußte. Und nun war ausgerechnet dieser Bahnhof mit überdimensionalen Fotos von ihm als Werbe-Plakate für eine Newton-Ausstellung dekoriert. Und selbst an diesem Ort vermied er sarkastische Kommentare, sondern beließ es bei ein paar harmlosen verschmitzen Bemerkungen, die man bei ihm auch sonst immer gewohnt war.

Helmut Newton hatte eben die Größe, trotz seines internationalen Erfolges so bescheiden zu bleiben. Und deshalb "durfte" er die Frauen auch so fotografieren, wie er sie am liebsten gesehen hat: Groß, stark, selbstbewußt und den Männern in vieler Hinsicht überlegen.

Wer seine genialen zeitlosen Akt-Fotos als "frauenfeindlich" bezeichnet, so wie ein paar verhärmte Emanzen rund um Alice Schwarzer und andere üblichen Verdächtigen, der wird wohl auch seine gelungenen Landschafts-, Architektur- und Tieraufnahmen nicht verstanden haben. Und für all jene hatte Helmut Newton stets nur ein mildes Lächeln übrig. Denn sicherlich ahnte er schon zu Lebzeiten, daß seine Bilder nach seinem Tod erst recht nicht mehr bezahlbar sein würden.

Denn die Legende Helmut Newton ist jetzt nach dem tragischen Car-Crash in Hollywood für immer "übermenschlich" geworden, so daß er uns in den nächsten Wochen, Monaten und Jahren in den Medien wohl genauso überdimensional präsentiert werden wird, wie man es mit seinen Exponaten in den Ausstellungen schon zu Lebzeiten gemacht hat.

Doch hinter all der Gigantomanie, dem von seinen Agenten künstlich aufgeblähtem Weltstar-Image, stand eigentlich über 8 Jahrzehnte lang ein Mensch, der einfach nur das gemacht hat, was ihm Spaß brachte und der selbstbewußt genug war, um zu wissen, daß er das, was er macht, wie kein anderer beherrscht.

So hatte er es zum Beispiel - wie übrigens auch sein Kollege von der Film-Branche Federico Fellini - nicht nötig, seine aktuellen Ehefrauen ständig gegen ein jüngeres faltenloseres Exemplar auszutauschen und blieb mit seiner Frau June 55 Jahre zusammen, was eigentlich in diesem Busineß total "uncool" ist.

Aber, daß es sich auch mal lohnt, gegen den Strom zu schwimmen, hatte Helmut Newton schon sehr früh begriffen. Und so empfand er es wohl auch sein Leben lang als einen besonderen Reiz, denjenigen, die ihn üppig mit fast schon perversen Honoraren bezahlten, einen Spiegel vorzuhalten. Bleibt nur zu hoffen, daß es wenigstens ein paar von diesen Leuten überhaupt verstanden haben, welchen Jux er sich die ganze Zeit mit ihnen gemacht hat.

Gruß Ben