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9. August 2004, 11:43   #28
Pollux
 
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Hallo,

ich wollte nur mal einen kleinen Erfahrungsbericht zum Thema Arbeitslosigkeit und "psychische Probleme" loswerden:

Mein Arbeitsverhältnis bei einem Internetdienstleister wurde im Dezember 2002 gekündigt (da ich einigermaßen gut verdient hatte, waren finanziell keine Probleme zu erwarten.) und ich sah erfreut meiner Arbeitslosigkeit entgegen. Den ersten Monat (Februar) ging ich noch ab und zu auf meiner alten Arbeit vorbei und machte noch ein zwei Handgriffe. Ab März war ich dann nur noch zu Hause und zog mir ab und zu einen Joint rein und erweiterte mein Bewusstsein. Ich hatte zu fast nix Bock, außer ein bisschen im Netzt zu surfen: dort Nachrichten lesen (das war die Zeit kurz vor dem Irakkrieg), Musik hören und Download-CDs sichten, deren Inhalt ich während meiner Anstellung täglich aus dem Internet ?gesichert? hatte... So hatte ich mir das vorgestellt.

Aber irgendwie wurde meine Umwelt immer merkwürdiger: alle wollten wissen, ob ich denn schon wieder Aussichten auf einen Job hätte, die Firma meiner Freunde (in die ich eigentlich nach einer kleinen Ruhephase einsteigen wollte) brach auseinander, die GEZ schickte plötzlich Kundenwerbung und die Menschen auf der Straße schauten mich alle so merkwürdig an bzw. weg. Am 20.03.2003 sah ich die 23 Theorie entgültig bestätigt und vertraute nicht mal mehr meiner Freundin. Jedenfalls war ich reif für die Klapsmühle und wartete auf den Weltuntergang - obwohl ich ja so ein tolles Leben hatte und finanziell vom Staat ausgehalten wurde, der nur verlangte, dass ich mich irgendwo bewerben und dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen muss. Selbstmordgedanken hatte ich nicht, da ich überzeugt war, dass das schon andere erledigen werden und traute mich deshalb nicht mehr aus dem Haus. Nach ein paar Wochen konnte mich meine Freundin (die zu der Zeit auch arbeitslos war) nach vielen Gesprächen aus meiner Paranoia herausholen und es ging wieder einem normalen Leben entgegen, das ich plötzlich mit ganz anderen Augen betrachtete...

Letzten Monat habe ich mich Selbständig gemacht und bin froh niemanden mehr Fragen zu meiner Arbeitslosigkeit beantworten zu müssen. Als Fazit: natürlich habe ich mich in der Zeit keinen beruflichen Anforderungen gestellt, dafür war es psychisch die schlimmste Zeit, die ich je erlebt habe. Wenn in dieser Zeit noch finanzielle Probleme dazugekommen wären, hätte es mich wahrscheinlich noch schlimmer erwischt. Und ein Selbstmord scheint mir dann doch nicht mehr so weit entfernt (und der Grund wäre zumindest bei mir nicht die direkt die Arbeitslosigkeit gewesen).

@Ron64: solche Leute wie Du waren früher in der SA organisiert. Und das waren ja auch keine Faschos...