Zitat:
Zitat von Ben-99
Oder denkst Du etwa, daß die anderen Reporter alle lügen?
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Das weiß ich sogar, denn ich habe
es in diesem einen komischen Wochen-Blättchen aus Hamburg gelesen, welches sich so überaus allwissend
"das deutsche Nachrichten-Magazin" nennt, von Dir gern zitiert wird und, kaum zu glauben, sogar ein paar Leutchen nach
Bagdad an die
Front geschickt hat, deren überaus gefährlicher Einsatz, auf den konkreten
Ort komme ich gleich, offenbar sehr teuer ist - anders ist wohl kaum die Preiserhöhung um mehr als 13 Prozent (oder eben 40
Cent) in dieser Woche zu erklären, immerhin soll dadurch ja
"die Qualität des SPIEGEL" zwar nicht gesteigert, aber immerhin
erhalten werden.
Was also macht der
normale ausländische
Journalist - der des
SPIEGEL natürlich ganz beispielhaft -, der nach
Bagdad entsandt wurde, um knallhart recherchierte
Berichte für die stets auf
Niederlagen der bösen
Amerikaner hoffende
Heimatfront zu liefern, im
Normalfall? In der
Hausmitteilung vom
27. Juni ist nachzulesen:
"Ausländische Journalisten verlassen in Bagdad nur noch in Ausnahmefällen ihre gutbewachten Hotels".
"Nur noch in Ausnahmefällen", es steht schließlich im
SPIEGEL und muß daher stimmen, also werden
Journalisten (Augen-)Zeugen dessen, was sie den Daheimgebliebenen berichten, sofern es überhaupt stattfindet und nicht nach dem
Genuß einiger
Drinks an der Bar der
"gutbewachten Hotels" phantasie
voll erfunden wird. Die
SPIEGEL-Abordnung jedenfalls fuhr - zweifellos ein Ausnahmefall - doch einmal durch
Bagdad.

Trümmerwüste Bagdad: Einheimische auf der Flucht
"In einem unscheinbaren Kleinwagen und in Gesellschaft einiger Sicherheitsleute fuhren sie an ausgebrannten Häusern und notdürftig zugeschaufelten Bombentrichtern vorbei" und, wie sollte es auch anders sein,
"hatten Mühe", einen Beleg für
"ein wenig Optimismus" zu finden, den der
demokratisch legitimierte Staatspräsident
Dschalal Talabani, ein Kurde,
"zu verbreiten" sich vergeblich abmühte, denn was
SPIEGEL-
Enthüller schon im
Normalfall an der
Hotel-Bar nicht sehen wollen, können sie auch im
Ausnahmefall nicht entdecken. Niemals.
Entsprechend muß dann also
Bagdad zumindest im
SPIEGEL in eine Trümmerwüste verwandelt werden, in der wahrscheinlich nur noch ein paar
Hotels für die ängstlichen ausländischen
Journalisten einigermaßen heil herumstehen, von irgendwie
intakter anderer Infrastruktur jedenfalls wußten die
SPIEGEL-Beobachter nichts zu berichten, die aber ohnehin nicht ganz da gewesen sein können, denn wie sie ausgerechnet
"in Gesellschaft einiger Sicherheitsleute" ihren Tip beherzigen wollen, man müsse
"vor allem darauf achten, möglichst unauffällig zu sein", ist ein
Rätsel.
Kein
Rätsel dagegen ist, was von der Berichterstattung des
SPIEGEL zu halten ist - ungefähr gar nichts, denn es
kann Hotel-Journalismus, wie er laut
SPIEGEL-Fachurteil auch bei anderen
Medien Standard ist, gar nicht zuverlässig sein. Wenn dann doch einmal der
Ausnahmefall eintritt und mit
Dschalal Talabani sich ein alter
Haudegen zu einem
Interview hergibt, dann müssen die Worte des Mannes, der den
Irak besser kennt als jeder
SPIEGEL-
Journalist, per
Hausmitteilung -
"hatten Mühe" - angezweifelt werden, denn der
Leser weiß ja bekanntlich sowieso
"mehr", auch daß
Bagdad eigentlich in Trümmern liegt.

"Ausgebrannte Häuser", "Bombentrichter", streikende Ampeln ...
Wo
SPIEGEL-Reporter nach eigener Auskunft der gefährlichen Lage wegen freilich nur weitergeben können, was sie sich im bewachten
Hotel ausdenken oder ihnen, die sowas mit
Sicherheit gar nicht überprüfen
wollen, zugetragen wird, scheint wiederum die
Recherche vor Ort für Vertreter des
britischen Observer weitaus weniger gefährlich zu sein, als die
deutschen Berufskollegen es berichten, so daß er zur
Quelle gerät für all die, die sich nicht aus dem
Hotel oder ihren heimischen
Schreibstuben wagen - es sei denn,
sie schilderten die Lage korrekt.
Dann allerdings müßten die
Observer-Enthüllungen reine Erfindung sein, denn wer Nachforschungen im
Irak zu einer solchen, nicht ganz unproblematischen Thematik anstellt, müßte sich wohl nicht nur vor
kriminellen Heckenschützen und Entführern, die
hierzulande "Aufständische" genannt werden, fürchten, sondern zugleich noch vor den
geheimen Todesschwadronen der
irakischen Regierung, die ja doch überhaupt kein Interesse daran haben dürften, durch derlei
Enthüllungen diskreditiert zu werden. Vielleicht stimmt tatsächlich keine Zeile des
Observer, denn laut
SPIEGEL gibt es in
Bagdad nur
"ausgebrannte Häuser" und
"notdürftig zugeschaufelte Bombentrichter" und keine irgendwie berüchtigte
7. Etage eines
Innenministeriums.
Dabei bezweifle ich doch gar nicht, daß im
Irak in
Einzelfällen die Dinge nicht so laufen, wie sie es sollten. Der beste Beweis dafür sind ja gerade die nicht alltäglichen Berichte über weniger akzeptable Erscheinungen etwa des
Strafvollzugs. Da werden nämlich in der Tat auch mal
neugierige Passanten als
'Terroristen' verhaftet, die sich näher für die Überreste eines von
"Aufständischen" im Rahmen ihres
"Widerstands" gesprengten Kiosks interessieren, und landen für ein, zwei Tage grundlos hinter Gittern, bevor ein
Richter erscheint sie wieder entläßt. Wenigstens die Verpflegung aber soll, so ein Bekannter, dem es widerfuhr, stimmen:
"Just few minutes I was there then it was launch time, the launch was rice, bean sauce and chicken, one of prisoners complained saying oh my god chicken chicken why they just don't change!"

Ausgebombter Zeitungsleser sucht eine neue Unterkunft ...
"Still it's hard people to believe me, each time I tell my story here since prisoners food at Saddam time was merely water, bread and sometimes rice. After the launch there was tea and orange, and this is as they told me all from the seven dollar for each prisoner a day allowanced by the U.S army - even though they were complaining of the food taste, I myself didn't eat anything so can't tell why
[..] The ironic thing is that I was not arrested by the old regime, instead I was arrested by this government which I defended ... I know the real one to blame is me, at Saddam time if such accident occurred I would walk at the opposite side, expecting that all the people near it will be arrested, not just walking there stupidly."
Wenn nun der
Observer und der Abschreiber des
Hamburger Abendblatts meinen, es herrschten im
befreiten Irak ähnliche Zustände wie in Zeiten der
faschistischen Baath-Diktatur des
Saddam Hussein, so liegen, trotzdem sie von einzelnen
Fällen berichten, mächtig falsch. Wäre, was sie herausgefunden haben wollen bzw. abschreiben,
Alltag, hätten die
Verantwortlichen zweifellos auch die
Macht, sie zum Schweigen zu bringen. Daß dies nicht geschieht, sondern sogar die
irakische Regierung, unter
UNO-Aufsicht demokratisch gewählt, Untersuchungen der Vorfälle und mögliche
Sanktionen ankündigt, ist ein weiterer Beleg für den
Fortschritt in dem
befreiten Land.
Wer
foltert, der hat eben nichts zu suchen in den Reihen der neuen
Sicherheitskräfte, zumal einige Mitglieder der
gewählten Regierung auch selbst ganz gut wissen, was
Folter heißt. Doch auch in anderer Hinsicht ist der von den
ausländischen Beobachtern angestellte Versuch, die gegenwärtige Situation im
Irak gleichzusetzen mit dem, was unter
Saddam Hussein Normalität war. Für letztere nämlich interessierten sich vor allem die vielen
Friedenstauben herzlich wenig, für kein Opfer
Saddam Husseins gingen sie zur Demo. Aber nun glauben sie felsenfest daran, daß im
Irak eigentlich nichts sich geändert habe und sind -
empört.

(Un-)Kultur-Imperialismus
Doch solche
Empörung entlarvt sich selbst, sie ist sogar überaus
lächerlich. Denn wer keine Träne zu vergießen bereit war für
'verschwundene' Gegner der
Baath-Diktatur, die selbst ins Ausland geflüchtete
Dissidenten noch ermordete, gerade dieses
Regime durch
Demonstrationen für Friede, Freude und
Saddam Hussein zu verlängern suchte, kann doch
jetzt nicht glaubwürdig darüber klagen, daß sich - angeblich - keine
positive Veränderung der Lage der
irakischen Bevölkerung eingestellt habe. Schlimmstenfalls sind doch nur die
Folterknechte andere, warum also plötzlich die ganze
Aufregung? Sind
Saddam Husseins Opfer etwa
wertloser als jene, die es
nun geben soll und die, gibt es sie, nicht namenlos
'verschwinden'?
Und wenn die aktuelle Situation im
Irak tatsächlich so schlecht sein sollte, wie sie
Hotel-Journalisten sich ausdenken (müssen), sie deshalb Gegenstand von
Protesten ist, welche eine
Besserung einfordern, die es zwar ohnehin gibt, aber einfach standhaft ignoriert wird, bliebe eben rückblickend zu fragen, weshalb so zahlreich auf die Straße gegangen wurde mit dem Ziel, dem
Baath-Regime die verdiente Niederlage zu ersparen und die
irakische Bevölkerung ihm ungerührt weiterhin auszuliefern, denn darauf lief ja hinaus, was die
Friedenstauben all over the world sich wünschten, die aber spätestens seit der
Wahl im Januar ein echtes
Legitimationsproblem haben, zeigte doch allein die Wahlbeteiligung, daß sie für die falsche Seite
demonstrierten und
protestieren.
Nachdem zu Wochenbeginn auch hierzulande
ruchbar wurde, daß es mitten in
Old Europe, nämlich in der französischen Hauptstadt Paris, seit 2002 eine
"Alliance Base" gibt, eine Plattform zur Zusammenarbeit mehrerer
Geheimdienste, unter denen auch
deutsche zu finden sein sollen, die auf diese Weise im Ausland Dinge
erledigen, die ihnen in
Deutschland untersagt sind - berichtet wird von
Datenaustausch, aber auch
Folter -, die
öffentliche Aufregung darüber aber beredt unterblieb, darf sowieso ernsthaft daran gezweifelt werden, daß es jenen, die über angebliche
Opfer im
Irak jammern, tatsächlich um diese geht. Es bahnt sich ein formidabler
Skandal mehr oder weniger direkt vor ihrer Haustür an, doch sie bleiben daheim. Brave Staatsbürger.
MfG
tw_24