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8. July 2005, 02:55   #3
Ben-99
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... Istanbul, Madrid, London - der Krieg kommt immer näher. Und in Anbetracht der vielen Toten und Schwerverletzten fällt es wieder mal schwer, den neuesten Anschlag sachlich und nüchtern zu betrachten. Immerhin war es der schwerste, von dem London seit dem Zweiten Weltkrieg erschüttert wurde.

Aber, seien wir doch mal ehrlich: Noch vor ein paar Jahren mußte niemand in Europa Angst haben, auf dem Weg zur Arbeit in Bus oder Bahn in die Luft gesprengt zu werden. Die Leute, die wir "Terroristen" nennen, haben uns zufrieden gelassen. Sie waren mit ihren eigenen Problemen in der islamischen Welt beschäftigt.

Doch dann begannen die USA, sich in die Angelegenheiten souveräner fremder Länder einzumischen. Irgend jemand kam auf die Idee, mißliebige Staaten namentlich zu benennen, sie mit dem törichten Begriff "Achse des Bösen" zu bezeichnen und sie allein dadurch massiv zu bedrohen. Anfang der 90er ließ Bush senior Bagdad großflächig bombardieren und richtete in wenigen Tagen ein Blutbad unter der Zivilbevölkerung an. Später wurden in Afghanistan Menschen von US-Soldaten verschleppt, gefoltert und massakriert. Kurzum: Die USA hatten der islamischen Welt den Krieg erklärt und betonten das auch in den nächsten Jahren immer wieder.

Doch wie in jedem Krieg, den man anzettelt, muß man auch mit Gegenwehr rechnen. Dafür sorgte Amerikas Erzfeind Bin Laden, der immer mehr Anhänger fand, ihn bei der Verteidigung zu unterstützen. Und weil auch die USA keine Rücksicht auf Zivilisten nimmt und den Tod von Hunderttausenden (im vorletzten Golf-Krieg) einkalkulierten, war es das erklärte Ziel von Bin Laden, auch die Amerikaner einmal genau an der Stelle zu treffen, an der sie am empfindlichsten sind: im Herzen von Manhattan. Und so ließen sie am 11.9.01 die beiden Türme des protzigen World Trade Center, seit Jahrzehnten Symbol und Inbegriff des amerikanischen Raubtier-Kapitalismus, wie ein Kartenhaus in sich zusammenstürzen und bewiesen zeitgleich an anderer Stelle, daß auch das Pentagon nicht unverwundbar ist. Bilanz: 3.000 Tote.

So geht es nun mal zu im Krieg. Und wer den anzettelt, kann sich hinterher nicht darüber beschweren, daß dabei auch eigene Bürger zu Schaden kommen. Und wenn Vater und Sohn Bush das vorher nicht bedacht haben sollten, sind sie halt noch dümmer und gefährlicher, als man immer schon von ihnen annahm.

Doch wie ein dummes Kind, das partout nicht hören will, überfiel George Bush junior dann noch ein zweites Mal den Irak. Diesmal sogar, indem er und sein Speichellecker Tony Blair vorher die Welt monatelang eiskalt belogen hatten, indem sie wilde Räubergeschichten erfanden und behaupteten, Saddam würde durch sein angebliches Arsenal an "Massenvernichtungswaffen" die westliche Welt bedrohen.

Was dann folgte, ist bekannt: Bush und Blair haben den Irak in ein Chaos gestürzt, das sich bis heute immer mehr ausweitet und täglich neue Opfer unter der Zivilbevölkerung fordert. Nicht nur durch die amerikanischen Besatzer, sondern weil dort inzwischen auch ohne Saddam "mit behördlicher Genehmigung" wieder gefoltert und getötet wird. Wie dumm muß man eigentlich sein, um zu glauben, daß Bin Laden und seine zum Äußersten entschlossenen Mitstreiter das auf Dauer hinnehmen würden?

Also wurde heute in Bekennerschreiben erklärt, daß man gerade England immer wieder gewarnt habe, und der überführte Lügner Blair bei einer weiteren Teilnahme am Krieg gegen die islamische Welt damit rechnen müsse, daß in diesem Krieg auch Bürger seines eigenen Landes getötet werden.

Genau das wurde gestern in die Tat umgesetzt. Und zwar wie schon am 11.9.01 in einer extrem präzisen Weise, indem man nicht nur einen besonders symbolträchtigen Tag auswählte, an dem sich unter dem Vorsitz von Blair die Regierungschefs der mächtigsten Länder der Welt zum G-8-Gipfel trafen, sondern die Ziele wurden mit Bedacht auch so ausgewählt, daß man den gesamten Innenstadt-Bereich der Millionen-Metropole London innerhalb von wenigen Minuten lahmlegte.

Wobei man eigentlich sogar noch "froh" sein sollte, daß "nur" konventioneller Sprengstoff verwendet wurde, der nicht mit dem leicht zu beschaffenen radioaktiven Cäsium versetzt wurde, so daß die Kriegsgegner von Bush und Blair diesmal noch auf den Einsatz der gefürchteten "Dirty Bomb" verzichtet haben, die das Zentrum von London sonst für Jahre, vielleicht sogar für Jahrzehnte, unbewohnbar gemacht hätte.

Möglicherweise ist der Verzicht darauf als eine letzte Warnung zu verstehen, von nun an nicht mehr länger leichtfertig mit dem Weltfrieden zu spielen.

Daß Tony Blair diese Botschaft, die für uns alle im wahrsten Sinn des Wortes "lebenswichtig" ist, verstanden hat, glaube ich eher nicht. Statt dessen konnte man ihn gestern mittag live erleben, wie er Krokodilstränen vergoß, weil ja 30, 50 oder 100 tote Londoner angeblich mehr wert sein sollen als Tausende von seinen Truppen getöteter irakischer Bürger, darunter Frauen, Kinder und Greise, die beim Bombenhagel auch nur zur falschen Zeit am falschen Ort waren.

Und genau das begreife ich nicht. Denn in einem Krieg, den man auch noch selbst angestiftet hat, darf man keinen Unterschied machen, ob Zivilisten "irgendwo" in Afghanistan oder im Irak krepieren oder im feinen New York oder London getötet werden.

Auf jeden Fall waren die blutigen Anschläge in Madrid und jetzt auch in London ein bitterer Vorgeschmack auf das, was auch uns Deutschen in nächster Zeit bevorsteht. Denn durch Schröders mutigen Verzicht auf die Teilnahme am verbrecherischen Angriffskrieg auf den Irak hat er dafür gesorgt, daß deutsche Städte bis jetzt nicht zu den Zielen von Bushs und Blairs Kriegsfeinden gehörten.

Das könnte sich aber schon ab Herbst sofort ändern, wenn die deutschen Wähler tatsächlich ihre Ankündigung wahrmachen und Angela Merkel als Kanzlerin wählen, von der man weiß, daß sie den Amis so tief in den Arsch kriechen wird, daß auch bald deutsche Soldaten an jedem von Bush befohlenen Angriffskrieg teilnehmen werden. Und spätestens dann kann auch niemand von uns mehr ruhigen Gewissens öffentliche Verkehrsmittel benutzen. Egal, ob in Berlin, Hamburg, München, Frankfurt oder Köln - die Angst wird unser ständiger Begleiter sein.

Oder wir wachen doch noch vorher auf und trauen uns, die wahren Schuldigen zu benennen, die durch ihre menschenverachtende, raffgierige Politik jetzt auch Europa immer unsicherer gemacht haben: George Bush und Tony Blair haben jedenfalls keinen Grund zu jammern, wenn es zur Abwechslung auch mal die eigene Bevölkerung trifft.

Gruß Ben