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28. October 2005, 16:52   #22
Ben-99
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Zitat:
Zitat von Sacki

Einen überaus interessanten Artikel zum Thema "Die Welt ohne Israel" findet man hier:
http://www.weltwoche.ch/artikel/?AssetID=10214
... nun ja, sicherlich ein lesenswerter und vor allem auch angenehm sachlich geschriebener Beitrag. Allerdings erinnert er mich auch an bestimmte Kinofilme, bei denen man schon nach 5 Minuten weiß, wie die Geschichte am Ende ausgehen wird. Denn: Eine andere Antwort auf die Frage, ob es der übrigen Welt ohne Israel besser gehen würde, wäre in einer angesehenen deutsprachigen Zeitung überhaupt nicht denkbar.

Anders sähe es aus, wenn ein seriöser arabischer Journalist ebenso sachlich die verschiedenen Punkte angesprochen hätte. Er wäre sicherlich zu einem ganz anderen Ergebnis kommen, das für den Leser mindestens genauso logisch klingt.

Auf eine wirklich neutrale Sicht der Dinge kann man nicht hoffen, weil die Autoren schon viel zu sehr verwachsen in ihrem jeweiligen politischen System sind und sich nur mit Mühe in die Denkweise der Menschen aus anderen Kulturkreisen hineinversetzen können und dies wohl auch gar nicht wollen.

Ganz ohne Vorurteile und Pauschalierungen kommt aber auch der Kommentator der "Weltwoche" nicht aus, wenn er schreibt:

Zitat:
Werden die Millionen arbeitsloser und gelangweilter junger Männer, das Kanonenfutter der Terroristen, ebenfalls verschwinden – zusammen mit Einparteiherrschaft, Korruption und Staatshandel?
Denn gerade neuere Erhebungen haben gezeigt, daß viele Selbstmordattentäter aus sogenannten besseren Kreisen kommen, einen Beruf erlernt und auch Arbeit und eine Familie haben. Die Vorstellung, daß es sich um dumme, ungebildete Menschen handelt, die man leicht beeinflussen und zu solchen Anschlägen überreden kann, mag zwar verlockend für uns sein, stimmt aber nicht.

Man muß sich ja nur mal die Biographien der Todespiloten vom 11.9.01 anschauen: Das waren durchweg kluge junge Männer, die aus gutem Haus stammten und in ihrem Job oder als Student als fleißig und gewissenhaft beschrieben wurden. Über den Anführer Atta, der zeitweilig in einem Hamburger Architektenbüro technische Zeichnungen kolorierte, hatte sich erst neulich im Fernsehen sein früherer Chef sehr lobend geäußert, weil er seine Arbeit mit viel persönlichem Engagement und auch sehr zuverlässig verrichtete.

Und die frühere Hauswirtin eines der anderen Piloten erklärte ja schon unmittelbar nach den Anschlägen, daß es ein aufgeweckter, fröhlicher und bei allen beliebter junger Mann war, der auch gern mal zum Tanzen ging, sich mit Mädchen traf und auch sonst die "westliche" Lebensart genoß. Er kam aus einer reichen Familie, und sein Vater hatte gerade einen neuen Mercedes für ihn bestellt. Das Verhältnis zu der Vermieterin sei so herzlich gewesen, erzählte sie, daß man schon fast von einer Mutter-Sohn-Beziehung sprechen könnte. Deshalb hatte er sich auch sogar noch von Amerika aus bei ihr verschiedet.

Ich will damit nur deutlich machen, daß kein Mensch, auch kein "Terrorist", böse zur Welt kommt, keinen schlechten Charakter haben muß und auch nicht arm und dumm sein muß. Menschen, die extreme Überzeugen haben, wie man die Welt verbessern könnte, egal ob es sich dabei um einen amerikanischen Präsidenten oder um einen islamischen Freiheitskämpfer handelt, sind nur eben sehr verschieden bei der Anwendung der Methoden, nehmen aber beide die Tötung von unbeteiligten Zivilisten in Kauf.

Und genauso wie George Bush der festen Überzeugung ist, daß die von ihm getöteten 30.000 irakischen Zivilisten für einen "guten Zweck" starben, so waren auch die Attentäter davon überzeugt, daß die 3.000 amerikanischen Bürger am 11.9.01 für eine gute Sache geopfert worden sind. Beide sind zwar dadurch zu Verbrechern, sogar zu Massenmördern geworden, haben es aber nicht für sich, sondern für andere Menschen und eben für ihre "Ideale" getan.

So unterschiedlich sind sie also gar nicht - der berühmte mächtige Präsident eines Staates und der namenlose Selbstmord-Attentäter. Und deshalb fällt es mir auch immer so schwer, "moralisch" darüber zu richten, wer etwas "Gutes" und wer etwas angeblich "Böses" macht, wenn er aus politischen Gründen unschuldige Menschen eigenhändig tötet oder von Untergebenen auf seinen Befehl hin töten läßt.

Gruß Ben