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12. November 2005, 19:16   #5
tw_24
 
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Tatsächlich ist der von Augstein beklagte niedergang des SPIEGEL kein allzu großer Verlust für mich. Nur war der gestorbene Herausgeber, der auch als Jens Daniel für sein Blatt schrieb, eben bestenfalls ein nationaler Linker, doch auch daran muß wohl gezweifelt werden, wenn selbst ein Konrad Adenauer ihm mitteilte: "Sie können jederzeit, bei Tag und Nacht, unangemeldet zu mir in mein Haus kommen" (Der SPIEGEL, 26.12.1951, S. 4).

Über eine solche Einladung Adenauers durfte sich bestimmt nicht jeder freuen, womit aber wohl hatte Rudolf Augstein sie sich verdient? Mit linken Positionen sicher nicht, als Jens Daniel hatte er eine Wiederbewaffnung der (West-)Deutschen angemahnt und als Rudolf Augstein eine - erst 1963 mal nebenbei erwähnte - Rundreise bei Wehrmachtsoffizieren gemacht, um mit ihnen über eben dieses Thema zu beraten.

Adenauer und Augstein bekamen ihre Armee, heute feiert sie als "Armee im Einsatz" ihren 50. Geburtstag.

Und auch den Antisemitismus Rudolf Augsteins, der bei ihm immer verbunden war mit einem wahnhaften Antiamerikanismus, kann kein noch so gelungenes Loblied auf den 'alten' SPIEGEL so leicht ungeschehen machen, die Seiten, die Augstein alten Nazis zum Vollschreiben überließ, stehen heute noch in der einen oder anderen Bibliothek herum; nicht nur bei Springer konnten Antisemiten - wenn sie sich zügelten - Karriere machen.

Rudolf Augstein, selbst Zögling einer Napola, hatte stets ein Herz für grundanständige Nazis, die doch nur brav Befehle befolgten, wie eben Arthur Nebe, dessen seelische Qualen beim Massenmorden in Augsteins SPIEGEL in einer Artikelserie geschildert wurden. "Nebe ist vollends am Ende. Er tröstete sich mit dem Gedanken, ordentliche Männer seiner Einsatzgruppe vor der Durchführung der Durchführung der grauenvollen Exekution bewahtrt zu haben." (Der SPIEGEL, 2.2.1950, S. 25f.) Der Held.

Doch nicht nur das seelische Leid solcher Mörder wie Arthur Nebe ließ Augstein Buchstaben krokodilstränen. Als die verhaßten britischen Besatzer einmal einen ganz normalen Deutschen verhafteten - Heinrich Haselmayer, NS-Studentenführer und Sterilisierungsexperte -, war es der SPIEGEL, der ganz bitterlich sich darüber beklagte, daß ein "praktischer Arzt und Geburtshelfer" da festgenommen wurde.

"Wahr ist", schrieb Augstein am 20.11.2000, "die westliche Völkergemeinschaft hat die Juden schmählich im Stich gelassen. Allen voran die großen christlichen Kirchen, aber auch die damals ja wirtschaftlich schon sehr starken Amerikaner. Unter deren Führung trat im Juli 1938 in Evian am Genfer See eine internationale Flüchtlingskonferenz zusammen. Das Treffen war eine Reaktion auf die rigorose Vertreibung jüdischer Bürger aus Österreich und Deutschland."

Letztere fand statt, weil die Deutschen ja bekanntlich ein Volk ohne Raum waren, also gar nicht anders konnten. Aber die anderen wollten die Juden nicht. "Vertreter aus 32 Ländern versuchten, sich über eine Quote zu einigen, um die Anzahl der jüdischen Einwanderer in ihre Länder zu erhöhen. Daraus wurde nichts." Also blieb den Deutschen gar nichts anderes übrig, als die Juden zu vernichten, die wahren Antisemiten aber waren die ungastlichen anderen.

Rudolf Augstein dagegen - ein Antisemit? Niemals! Am 30.11.1998 war es doch auch nur völlig normal, daß er sich ein wenig echauffierte: "Nun soll in der Mitte der wiedergewonnenen (!) Hauptstadt Berlin ein Mahnmal an unsere fortwährende Schande erinnern." Andere "Völker" wären auf die Barrikaden gegangen: "Anderen Nationen wäre ein solcher Umgang mit ihrer Geschichte fremd."

Aber in Deutschland, weiß Rudolf Augstein, der tapfere deutsche Herausgeber, darf man sich nicht beschweren - es gibt da ja eine jüdische Lobby, die weltweit die Medien kontrolliert -: "Man wird es [..] nicht wagen, so sehr die Muskeln auch schwellen, mit Rücksicht auf die New Yorker Presse und die Haifische im Anwaltsgewand, die Mitte Berlins freizuhalten von solch einer Monstrosität." Was keine antisemitische Verschwörungstheorie ist, sondern die reinste Wahrheit.

Überhaupt, die Juden, die haben sich nicht gewehrt, wirft Rudolf Augstein ihnen am 29. April 1985 vor, um seine Deutschen reinzuwaschen: "Was hätte ein Nicht-Nazi denn tun können? Er hätte als ein Held und Heiliger das tun können, was die Opfer selbst auch nicht getan haben, die Helden und Heiligen immer ausgenommen. Er hätte sich für seinen biblisch Nächsten opfern können, mit seinem Leben. Das haben die Deutschen, das haben die Juden nicht getan." Und sich umbringen lassen, diese Feiglinge.

Und deshalb sind für Rudolf Augstein alle gleich, die Täter und die Opfer, die sich nicht zur Wehr setzten, Helden und Heilige natürlich immer ausgenommen: "Kein moralischer Unterschied also zwischen der schweigenden Mehrheit der Deutschen und der schweigenden Mehrheit der Juden." Der später von Augstein eingekaufte Henryk M. Broder fand die rechten Worte: "Keiner stand auf und haute dem Rudi eine runter." Deutsche wissen eben, wen sie mit Augstein verloren haben.

MfG
tw_24