... nun, dann will ich als alter Sack mal dem jungen Maggi ein wenig aus dem Nähkästchen erzählen. Denn Wagner ist beileibe kein "Volltrottel", sondern ist bzw. war zumindest mal ein durchaus intelligenter Bursche, der genau weiß, was der dumme Durchschnitts-Deutsche lesen will. Das hat er in den 30 Jahren gelernt, in denen er für Boulevard-Zeitungen und –Zeitschriften schreibt. Und am Ende seiner Karriere ist er nun zu BILD zurückgekehrt und verramscht dort noch den Rest seiner Seele.
Wer wie ich als ungestümer junger Mann mit Anfang 20 seine Laufbahn bei BILD begann, kennt Franz-Josef Wagner noch mit schulterlangen fettigen Haaren, wenn er wieder mal mit seinen Manuskripten kurz vor Redaktionsschluß auftauchte und ganz stolz darauf war, daß seine kitschigen Serien so viel Anklang bei der Chefredaktion fanden.
Danach durfte er dann auch selbst den Boß spielen. Zum Beispiel bei der "Bunten" und bei der Berliner "BZ". An diese Zeit erinnert sich auch SPIEGEL-Autor Henryk M. Broder auf seiner Homepage:
Zitat:
Als Franz-Josef Wagner noch Chefredakteur der BZ war, produzierte er die schönsten Titelzeilen der Berliner Presselandschaft: "Bein gebrochen, Urlaub im Ar...", "Sie verliebte sich in den Falschen, Kehle durchgeschnitten", "Als Hund hast du in Berlin nichts mehr zu lachen", "Der Wirt mit den besten Kohlrouladen der Stadt vom letzten Gast erschlagen", "Berlins Polizeipräsident schlägt Kampfhund nieder", "Kann sich der Kanzler auf Mallorca nicht mehr waschen?", "Berliner empört: Wofür brauchen Obdachlose ein Handy?", "Die 1oo schmutzigsten Läden Berlins"; unter Wagners Führung wurde die BZ zum Zentralorgan des Neo-Dadaismus; obwohl oder weil sie die Interessen der Rentner, Schrebergärtner und Hundehalter artikulierte. Daneben kam auch die bessere Berliner Gesellschaft ausgiebig zu Wort, was praktisch bedeutete, dass fast in jeder Ausgabe Rolf Eden, Udo Walz und Gräfin Hardenberg vorgeführt wurden. Wagner machte Bouletten-Journalismus und servierte dazu Aldi-Champagner. Und wenn er dann abends bei Lutter und Wegner oder in der Paris Bar saß und sein Weltschmerz-Gesicht aufgesetzt hatte, wussten alle: Heute war ihm wieder eine ganz besonders schöne Zeile eingefallen.
Doch eines Tages wurden bei Springer die Karten neu gemischt. Georg Gafron, mit der Leitung des Radiosenders Hundertkommasechs und des Fernsehsenders tvberlin noch nicht ausgelastet, übernahm die BZ und Wagner wurde zum Kolumnisten befördert, der allen Menschen, die noch nie in der Paris Bar waren, erklärt, woher der Wind bläst. "Wagners Welt" heißt seine Kolumne in der "Welt am Sonntag", die schon deswegen eine prima Zeitung ist, weil es sie bei der Lufthansa umsonst gibt.
Vorletzten Sonntag nahm sich Wagner eine werdende Mutter vor. Der Titel seiner Kolumne verriet eine solide Sachkenntnis gepaart mit viel Einfühlungsvermögen: "Als Steffi Graf als Schwangere kotzte". Man konnte meinen, Franz-Josef habe der Steffi das Eimerchen gehalten und dann aus dem Inhalt seine Kolumne zusammen gerührt. Aber schon im ersten Absatz gab Wagner zu, dass er nur Spekulationen anstellte:
"Mir liegen leider keine exklusiven Kenntnisse darüber vor, ob Steffi Graf heute morgen mit Heißhunger auf Erdnussbutter oder auf süß-saure Gurken in oder außerhalb Agassis Armen erwachte..." Wagner dagegen wachte mit dem dringenden Bedürfnis auf, seine Morgenlatte literarisch zu veredeln. Also richtete er sich ganzkörperlich auf und haute der Klatschpresse eine runter. "Steffis Busen sei schon um eine Körbchengröße gewachsen, informieren uns die gynäkologischen Fachredaktionen und ihr Bauch um 2o cm angeschwollen... Ihr Baby im Bauch ist höchster Unterhaltungswert. Das Privateste, Persönlichste wird zum öffentlichen, gynäkologischen Stuhl. Da liegt Deutschland-Steffi nun, bis ihr Baby kommt, mit gespreizten Beinen."
Und WamS-Wagner hockt vor ihr, schaut in einen Abgrund aus Erdnussbutter und süß-sauren Gurken und reibt sich das Hörnchen, oder, wie Ulrich Wickert es sagen würde: er schmiert sich Creme Fraiche auf sein Croissant.
Es dauerte genau eine Woche, bis Wagner wieder zu Sinnen kam. Letzten Sonntag schrieb er "67 Zeilen über das Schreiben". Gleich im ersten Satz streute er sich Asche aufs Haupt: "Oft, ich muss es leider gestehen, schreibe ich schlecht. In verkrampften Händen erstrahlen keine Worte."
Gut beobachtet, Franz-Josef. Aber warum so zurückhaltend, wenn alle wissen, was gemeint ist? Nicht einmal Wagner kann zugleich schreiben und wichsen, denn wenn das Händchen schlapp macht, geht den Worten die Luft aus. Aber für den Schmock der Woche reicht es noch allemal, wenigstens für ein Schmöckchen.
HMB, Berlin, 23.7.2oo1
http://www.henryk-broder.de/html/schm_wagner.html
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Und damit ist eigentlich auch alles über diesen abgehalfterten Schreiberling gesagt, dem ich es gönne, daß er bei BILD heute sein Gnadenbrot zugeteilt bekommt.
Möglicherweise läßt der Springer-Verlag die Honorar-Kosten für ihn auch über die Bundesanstalt für Arbeit abrechnen. Und im Prinzip ist es ja auch eine gute Sache, daß große Unternehmen gezwungen sind, immer auch eine bestimmte Prozentzahl an Behinderten einzustellen *g*.
Und alle "Fans" der BILD-Zeitung sollten auch diese aktuellen Beiträge über Deutschlands nicht nur dümmste, sondern leider auch gefährlichste Tageszeitung ruhig mal anklicken:
http://www.zeit.de/online/2005/48/bild_naumann
http://www.taz.de/pt/2005/12/01/a0170.nf/text
http://www.online-merkur.de/seiten/lp200512b.php
http://www.ftd.de/tm/me/33137.html
http://www.zeit.de/2005/48/Springer
http://www.taz.de/pt/2005/12/21/a0140.nf/text.ges,1
http://www.zeit.de/online/2005/50/magnet
Gruß Ben