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Zitat von Ben-99
Und vor allem: Was ist eigentlich die Aufgabe der sogenannten unabhängigen "Wahlbeobachter", die solche Manipulationen verhindern sollen?
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Internationale Wahlbeobachter sind, will man es ganz böse formulieren, im Zweifelsfall kaum mehr als Dummköpfe, die sich, mehr oder weniger
idealistisch, verheizen lassen als ein
Aushängeschild für manchmal auch sehr üble
Diktaturen. Ihre Anwesenheit wertet nämlich in den Augen der
Untertanen auch noch die allergrößte
Wahlfarce ungemein auf.
Seht her, kann ein
Diktator verkünden,
die UNO schickt Leute als Beobachter, also lügt diese vaterlandslose Opposition, wenn sie sich unterdrückt wähnt.
Andererseits gewährleisten
Wahlbeobachter aber doch, daß
Unregelmäßigkeiten entweder gleich ausbleiben oder zumindest nicht unentdeckt bleiben und die
Information darüber auch öffentlich wird. Sie sichern insofern also zumindest, daß eine
Wahl oder
Abstimmung weitgehend den Ansprüchen genügt, die die
Veranstalter verkünden. Ernsthaft verhindern können sie eine
inszenierte Scheindemokratie nicht, ihre
administrativen Befugnisse sind ja auf das
Zuschauen beschränkt.
Im
Irak nun fand tatsächlich eine
demokratische Wahl statt, deren Ergebnis nicht vorherbestimmt war bzw. ist. Es gab diverse
Verstöße gegen die
'demokratischen Sitten', die das Endergebnis unterdessen nicht wesentlich
verfälschen, etwa im Sinne einer bestimmten
Partei oder
Gruppierung, die eigentlich
chancenlos ist, oder gar in dem der
"Besatzer".
Verstöße, die es gab, wurden gemeldet und werden von der
Unabhängigen Wahlkommission geprüft.
Und im Ergebnis dieser Prüfung werden - sofern als nötig befunden - auch
Nachwahlen angeordnet werden,
(bürgerliche) Demokratie wird bzw. wurde im
Irak jedenfalls nicht nur
simuliert, zumal ja auch durchaus
kritische Wahlbeobachter zugelassen wurden - wie etwa
André Brie von der
Linkspartei.PDS, der aus seiner Ablehnung der
"Besatzer" kein Geheimnis macht. Geht er hinsichtlich der jüngsten
Wahl nicht auf die
Barrikaden, dann muß
Alawi sich wohl irren.
Die
Vorwürfe, die letzterer äußerte, sind unterdessen auch vergleichsweise einfach zu entkräften. Daß zumindest im
kurdisch dominierten
Nord-Irak die
kurdische Liste aus
KDP und
PUK teilweise sehr hohe Zustimmung erzielte, verwundert nicht, wenn man bedenkt, daß die
großen Parteien im
Irak 'ethnische' Parteien sind -
Kurden wählen eben
Kurden,
Schiiten Schiiten und
Sunniten diesmal nicht den
Wahlboykott.

Frauenpower ... trotz oder wegen der Kopfbedeckung
Ich halte das Konzept dieser
'ethnischen' Parteien für problematisch, begrüßenswert wären sicher mehr und - vor allem - gewichtigere
Parteien, die wegen ihrer
gesamtirakischen Ansichten gewählt werden (oder eben auch nicht), die sich jedenfalls nicht über eine
ethnische Zugehörigkeit definieren, also quasi
ethnisch-säkulare Parteien wie beispielsweise die
Kommunistische Partei die für
Kurden ebenso (un-)wählbar ist wie gleichermaßen für Bewohner des
irakischen Südens.
Noch allerdings geben die
'ethnischen' Parteien den Ton an, auch sie haben ja durchaus ihre Berechtigung. Die
kurdischen Parteien (angetreten als
eine Liste) etwa haben es sich zur Aufgabe gemacht, die weitgehende
Autonomie des
Nord-Irak innerhalb des
Irak zu erhalten oder institutionell soweit zu festigen, daß daran nicht mehr gerüttelt werden kann, während sie im
Nord-Irak ja durchaus konkurrieren - und sich unbeliebt machten wegen
Vetternwirtschaft und
Korruption.
Normale Politik eben ;-).
Deshalb war diesmal im
Nord-Irak die
Wahlbeteiligung unterdurchschnittlich, freilich dennoch hoch genug, um das
parlamentarische System als solches zu legitimieren.
Sunniten, im
Bath-Faschismus das
herrschende "Volk", boykottierten die
Wahlen nicht, was letztlich auch für die neue
Demokratie spricht. Daß sie nun
Manipulationen vermuten, auch schon auf die Straßen gingen, um zu protestieren, liegt unterdessen daran, daß sie eine
Minderheit im
Irak darstellen.
Und wenn sie, wie schon dargelegt,
ethnisch wählen, können sie letztlich in der neuen
Regierung auch gar keine
Mehrheit bekommen - und
müssen mit dem
Wahlergebnis, das hoffentlich bald veröffentlicht wird, unzufrieden sein. Deshalb gibt es aber ja auch in der Verfassung festgelegte
'Quoten', die den
Minderheitenschutz gewährleisten sollen.
Frauen gehören übrigens auch dazu,
25 Prozent der Parlamentssitze sind ihnen sicher, eine
Frauenpartei gab es, soweit ich das überblicke, indes nicht.
Gut wäre es aber, gäbe es eine solche Partei in dieser doch noch sehr
patriarchalisch geprägten
Gesellschaft,
Frauenquoten sind nämlich im Grunde auch recht zweifelhaft, eher eine Art
Almosen denn Zeichen wirklicher oder verwirklichter
Emanzipation, aber in dieser Hinsicht befindet der
Irak sich sowieso erst am
Beginn eines sicher noch längeren Weges, die
Bundesrepublik Deutschland brauchte ja auch
Jahrzehnte, um sich dann noch ausgerechnet die
Merkel zu gönnen ...
Wie auch immer, die
Unregelmäßigkeiten, die es bei dieser
Wahl gab, halte ich für zwar bedauerlich, sie sind aber vernachlässigbar.
Stimmzettel, so ein
Gerücht, seien im Umlauf, die im
Iran staatsprofessionell gefälscht wurden - hat es sie gegeben, sind sie entdeckt worden. Schwerer wiegt unterdessen die
Tatsache, daß nicht wenige
Wahlwillige nicht wählen durften, da sie nicht in den
Wählerlisten aufgeführt waren. Allerdings diskreditiert das eher die langsame
Bürokratie als das konkrete
Wahlergebnis, traf dieses
'Wahlverbot' doch
Bürger in allen Landesteilen.
MfG
tw_24