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2. April 2006, 00:04   #8
Ben-99
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... daß sich Helmut Kohl, im Gegensatz zu Schröder, nicht selbst bereichert hat, ist zwar korrekt. Dafür steckt in Kohl, den jeder nach einer richterlichen Entscheidung ungestraft "Rechtsbrecher" nennen darf, ein viel größeres Maß an krimineller Energie. Und wohl nur ganz Unbedarfte glauben immer noch daran, daß der Biedermann aus Oggersheim nichts mit Korruption im ganz großen Stil zu tun gehabt hat.

Okay, die Bestechungs-Millionen flossen zwar nicht in seine eigene Tasche, aber wer sagt denn, daß es immer nur Bargeld sein muß, um das Herz des korrupten Politikers höher schlagen zu lassen? Da gibt es Dinge, die viel mehr wert sind als ein paar dicke Geldbündel – oder anders ausgedrückt: Mit diesen miesen Geschäften hat sich Kohl Jahre lang seine Macht erkauft. Und wenn seine Spießgesellen nicht immer wieder für ihn gelogen hätten, wäre seine Zeit als Bundeskanzler schon nach dem ersten Flick-Parteispenden-Untersuchungsausschuß zu Ende gewesen.

Mit demselben Argument könnte man auch den früheren Innenminister Manfred Kanther reinwaschen, der sich ja auch nicht "persönlich bereichert" hat, als er zusammen mit anderen Spitzenpolitikern der hessischen CDU auf die perfide Idee kam, Schwarzgelder als angebliche "jüdische Vermächtnisse" zu deklarieren, wofür man sogar plante, in Südamerika einen Friedhof zu errichten, auf dem dann die Gräber der (in Wirklichkeit frei erfundenen) jüdischen "Spender" zu besichtigen sind.

Wer, auch noch als Deutscher, auf solche widerlichen Ideen kommt, spielt in einer viel höheren Gangster-Liga und hat als Politiker dem Ansehen unseres Landes viel mehr geschadet als ein Gerhard Schröder aus Hannover, der nun auch noch den letzten Rest seiner ohnehin kaum noch meßbaren Reputation gegen Bares verscherbelt, damit er sich und seiner Frau, die noch nie Verlierer an ihrer Seite duldete und sich vielleicht auch schon wieder nach einem neuen Goldesel umsieht, ein bißchen Luxus zu bieten hat.

Damit schadet er unserem Land aber viel weniger als die korrupten CDU- und CSU-Politiker, die sich auf diese Weise eine fast unendlich lange Regierungszeit ergaunert haben, die erst nach 16 Jahren gestoppt werde konnte. Und das, was Kohl in dieser Zeit kaputt gemacht hat, hätte keine neue Regierung, also auch nicht die rot-grüne Koalition, in kürzester Zeit wieder sanieren können. Und deshalb ist die jetzt wieder abgelöste Regierung auch nicht verantwortlich zu machen für die von der CDU geerbte horrende Situation am Arbeitsmarkt.

Und dennoch haben auch die Politiker der SPD und der Grünen Schuld auf sich geladen. Denn Leute wie Schröder, Fischer, Clement und Schily haben erreicht, daß im Volk wieder eine gefährliche Politik-Verdrossenheit aufgekeimt ist, die man ja an der katastrophalen Wahlbeteiligung am letzten Sonntag ablesen konnte. Denn wer sich jahrelang für grüne und sozialdemokratische Politik stark gemacht hat und am Ende dann so enttäuscht wurde, weiß nicht mehr, welchem Politiker er überhaupt noch vertrauen könnte und bleibt dann an Wahl-Sonntagen lieber gleich zu Hause.

Und dennoch muß niemand neidisch auf Gerhard Schröder sein, weil er mit seinem anrüchigen Russen-Deal jetzt so viel verdient, daß er von seinen Freunden bei Volkswagen und der Deutschen Bank nicht mehr ganz so heftig ausgelacht wird wie früher. Denn: Gerhard Schröder war immer auch ein sehr eitler Politiker und wäre als Kanzler natürlich gern etwas ehrenvoller "in die Geschichte" eingegangen. Das hat er sich nun verbaut, und das wird ihn noch jahrelang wurmen.

Dazu kommt, daß sein alter Rivale Oskar Lafontaine wieder aus der Asche aufgestiegen ist und schon jetzt die Politik in Deutschland nachhaltiger mitbestimmt, als es der zahnlose Polit-Rentner Gerhard Schröder in seinen schlimmsten Alpträumen befürchtet hat. Zwar konnten seine Spezis in den Redaktionsstuben den großartigen Erfolg der Partei der "Linken" im Osten des Landes diesmal noch herunterspielen. Aber schon bei der nächsten gewonnenen Wahl wird es die Presse nicht mehr so leicht haben, den früheren langjährigen saarländischen Ministerpräsidenten, Bundes-Minister und ehemaligen Chef der SPD abschätzig als "Populisten"
hinzustellen.

Was ein waschechter "Populist" ist, sollten jetzt alle gelernt haben, die früher mal ihre Stimme für Leute wie Schröder oder Fischer abgegeben haben. Nur wer sich jetzt ganz besonders mies fühlt und unbedingt nach einem Sündenbock sucht, würde seine Wut an Oskar Lafontaine auslassen. Nur weil er damals der Erste und leider auch Einzige war, der den von Schröder und Fischer geplanten großangelegten Betrug an den Wählern frühzeitig bemerkte und daraufhin konsequent alle seine Ämter zur Verfügung gestellt hat.

Unterm Strich ist heute aber klar: Die Wähler wurden nicht etwa von Oskar, sondern von Gerhard und Joschka betrogen. Da können sich manche schlechten Verlierer in den Redaktions-Stuben von "Spiegel" und "Stern" in ihrer Wut noch so austoben. Aber irgendwann werden auch sie einsehen müssen, daß es nichts mehr bringt, wie seit Jahren üblich die 68er-Generation zu vehöhnen. Denn die Problematik, auf die es wirklich ankommt, hat sich seitdem nicht verändert. Im Gegenteil: Die Schere zwischen Arm und Reich, Mächtigen und Unterdrückten, geht immer weiter auf, und unser Land versinkt immer mehr in einem gefährlichen Gemisch aus Korruption, Ich-Bezogenheit und "Geiz ist geil"-Mentalität.

Die Wenigen, die noch einen Arbeitsplatz haben, setzen jeden Morgen brav ihre Scheuklappen auf, beten den Quatsch ihrer Chefs nach und verdrängen in jeder unruhigen Nacht mehr oder weniger erfolgreich, daß auch sie selbst schon bei der nächsten Massen-Entlassung betroffen sein könnten.

Politik, die auf die Würde des Menschen ausgerichtet ist, die sich um das Wohl der Mehrheit im Volk und nicht um eine zwar ständig wachsende, doch immer noch vergleichsweise kleine Millionärs-Schicht kümmert, deren Lobby das Parlament und so manchen Zeitungsverlag noch immer und schon wieder im Würgegriff hat, kann gar nicht "altmodisch" sein.

Und deshalb sollten wir uns darüber freuen, daß nicht die Neonazis, wie befürchtet, sondern die Links-Partei das Rennen im früheren Dunkeldeutschland gewonnen hat und sogar die SPD weit hinter sich ließ. Und wer das hierzulande in der Presse verschweigt oder herunterspielt, setzt sich geradezu dem Verdacht aus, daß ihm ein Deutschland mit einer starken DVU oder ähnlichen Ultra-Rechts-Parteien womöglich lieber wäre.

Die "alten Säcke", auch wenn manche von ihnen in Wirklichkeit nicht mal 30 sind, sitzen nicht etwa bei den angeblich so "altmodischen" Linken, sondern sie versuchen, sich bei den Chefredakteuren von "Spiegel" und "Stern" mit jedem Artikel noch weiter in deren Gesäßöffnungen zu schrauben. Nur sind diese Chefs auch nicht so blöde und passen sich sehr schnell wieder dem Geschmack ihrer Leser an.

Bei Stefan Aust vom "Spiegel" konnte man das in den letzten Wochen gut beobachten: Nachdem immer mehr Proteste von Lesern eintrafen, die sich von der wochenlangen bescheuerten Werbe-Kampagne für Angela Merkel höchst verwirrt zeigten, ließ er zumindest zu, daß das frühere mal linke Blatt wieder einen gewohnt kritischen Kurs gegen die blutige amerikanische Außenpolitik führt, so wie es die Leser des Hamburger Magazins Jahrzehnte unter der Führung von Rudolf Augstein gewohnt waren.

Und wenn Oskar Lafontaine in Zukunft auch weiterhin erfolgreich sein sollte, könnte ich mir vorstellen, daß dann auch der "Spiegel" umschwenkt und irgendwann sogar solche ewiggestrigen Kultur-Polit-Plapperer wie Hans Magnus Enzensberger ("Saddam = Hitler") voller Inbrunst verlauten werden, daß linke Politik jetzt doch wieder ganz "hip" sei.

Wenigstens merkt man dadurch, daß der Wähler in Deutschland immer noch eine große Macht hat und auch sehr wohl Dinge in unserem Land beeinflußen kann. Das sollten wir auch alle nutzen, bevor sich auch hier bei uns irgendwann amerikanische Verhältnisse ausbreiten. Denn wer behauptet, daß die USA zur Zeit von George Bush demokratisch regiert werden, kann nur ein Träumer sein. Wir sollten - gerade in Zeiten einer Angela Merkel, von der bis heute niemand weiß, was sie wirklich will oder von wem sie gesteuert wird - alle "links" wählen, um einen solchen Einfluß auf unser Land so lange es geht zu verhindern.

Gruß Ben