Hier noch ein brandaktueller Artikel zu unserem Thema:
«Nationale Interessen» stehen im Krieg mit der Informationsfreiheit
Washington (dpa) - Wütend drehte US-Präsident George W. Bush den Volksvertretern im Kongress - von wenigen Ausnahmen abgesehen - den Informationshahn ab. Einige hatten es gewagt, geheime Informationen über den Feldzug gegen Afghanistan auszuplaudern und damit, so Bush, amerikanische Truppen zu gefährden.
Noch schlechter ergeht es in diesen Tagen den Medien und mit ihnen dem «Mann auf der Straße», den sie informieren sollen. Denn im Namen der Nationalen Sicherheit wirft ihnen der Staat nur die Brocken zu, die er für unverfänglich hält.
Wie zuletzt beim Golfkrieg 1991 gegen Saddam Hussein kontrolliert die Informationsmaschinerie der Regierung genauestens die Nachrichten über den Verlauf der Angriffe. Wie einst aus dem Irak flackern jetzt aus Afghanistan amtlich freigegebene Satellitenfotos und Aufnahmen mit Nachtsichtgeräten über die Bildschirme, deren Informationswert gleich Null ist. Wie der Boden eines Aquariums sehe es aus, mäkelte ein Reporter der TV-Gesellschaft Fox über den grün schimmernden Brei.
«Geheim selbst bei Erfolg» solle der Krieg geführt werden, kündigte Präsident Bush an. «Jeder, der vertrauliche Informationen enthüllt, könnte buchstäblich Menschenleben gefährden.» Verteidigungsminister Donald Rumsfeld bemühte Winston Churchill als Kronzeugen für das Argument, dass in Kriegszeiten Informationen als Waffe eingesetzt werden könnten. Rumsfeld zitierte den britischen II.-Weltkriegs-Premier mit den berühmten Worten, dass «in Kriegszeiten die Wahrheit so kostbar ist, dass sie stets von einer Leibwache aus Lügen beschützt werden sollte». Er fügte dann allerdings flugs hinzu, er selbst habe nicht die Absicht, zu lügen.
Da nur wenige US-Journalisten sich vor Ort in Afghanistan aufhalten und andere wenige in Pakistan oder Usbekistan, sind die dürren Zahlen des Pentagons über Angriffsziele und Zahl der angreifenden Flugzeuge oder Marschflugkörper so gut wie die einzige Information. Wäre nicht der arabische Sender Al Dschasira, gäbe es keinen direkten Draht nach Kabul und zu dem von den USA als Top- Terroristen gesuchten Osama bin Laden. Über diesen Kanal kamen die einzigen Video-Erklärungen Bin Ladens und seines Sprechers.
Umgehend wurde die US-Regierung tätig, um diese Verbindung für den Gegner zu entwerten. Sie appellierte an die Fernsehgesellschaften des Landes, solche Videos nicht mehr zu senden. Außenministerium und Weißes Haus äußerten die Befürchtung, die von der Terrororganisation El Kaida produzierten Videos könnten verschlüsselte Nachrichten und -WëËkÕÉÕ¹QÉɽɥÍѹµi±±¹Õ erhalb Afghanistans enthalten. «Bestenfalls» enthielten die Aufzeichnungen Propaganda. Der Nachrichtensender CNN versprach daraufhin, sie nicht mehr live und damit unredigiert auszustrahlen.
Bush-Sprecher Ari Fleischer sieht darin keinen Versuch der Zensur. Die Medien seien in ihrer Entscheidung frei. Doch so ganz frei fühlen diese sich nicht. Zahlreiche Medienmanager äußerten in Gesprächen mit der «Los Angeles Times» zwar wachsendes Unbehagen über den begrenzten Zugang zu Informationen, wollen aber im Interesse der Allgemeinheit erst einmal abwarten.
Bisher hat sich Verteidigungsminister Rumsfeld noch nicht klar die neun Prinzipien zu Eigen gemacht, die nach dem Golfkrieg zwischen Pentagon und Presse für die Kriegsberichterstattung vereinbart worden waren. Sie sehen grundsätzlich eine «offene und unabhängige Berichterstattung» und «Zugang zu allen bedeutenden Militäreinheiten« vor. Sie kamen nach den frustrierenden Erfahrungen aus dem Golfkrieg zu Stande. Seinerzeit hatte im Pentagon Richard Cheney das Sagen, der heutige Vizepräsident.
Er würde alles wieder so machen, sagte er nach dem Krieg zu den Beschwerden. Kriegführung und Aktualitätsbedürfnis der Medien seien nun einmal nicht unter einen Hut zu bringen. Diese Auffassung herrscht im US-Militär spätestens seit dem Vietnamkrieg. Damals hatten Journalisten mit Enthüllungsgeschichten und blutvollen Berichten das offizielle Kriegsbild korrigiert und mit dafür gesorgt, dass die Unterstützung der Bevölkerungsmehrheit in Opposition umschlug.
Mit der Argumentation, dass es sich um einen völlig neuen Krieg gegen einen völlig neuen Gegner handele, könnte der Zensor diesmal zusätzlich an Statur gewinnen. Marlin Fitzwater, ein früherer Sprecher des Weißen Hauses unter dem Vater von Präsident Bush, meinte: «Ich glaube, dieser Konflikt erfordert eine zumindest seit dem Zweiten Weltkrieg nicht gesehene Aufhebung von Freiheitsrechten.»
Anders als die Kongresspolitiker, die sich teils lautstark über die Informationssperre beschwerten und einen Kompromiss durchsetzten, hat die «vierte Gewalt» der Presse keine besonders guten Karten. Denn ihr Publikum ist meist der Meinung der Regierung, dass aus Gründen der Nationalen Sicherheit die Informationsfreiheit zurückstehen sollte.
|