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15. June 2006, 23:23   #3
Ben-99
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... ich gestehe, Maggi, daß es manchmal auch bei mir schon mal etwas länger dauert, bis ich auf ein Posting reagiere. In diesem Fall lag der Grund darin, daß ich nach der 2. Folge, die längst nicht so stark wie der Pilot-Film war, ganz ähnlich wie Du gedacht habe und nun auch annahm, daß man es vielleicht doch wieder nur mit dem üblichen Serien-Schrott zu tun hat. Also entschloß ich mich, alle weiteren Folgen nicht mehr live anzusehen, sie jedoch zumindest aufzuzeichnen.

Nachdem ich mir nun aber alles angeschaut habe, bleibe ich dabei, daß "4400" absolut sehenswert ist und nach "ER", meinem Liebling und der für mich professionellsten und vielleicht sogar auch anspruchsvollsten "Never Ending"-Serien, zumindest den 2. Platz meiner persönlichen Best-Of-Liste belegt. Was andererseits aber auch wieder kein großes Kunststück ist, da ich mir als notorischer TV-Serien-Hasser zur Zeit sowieso nur diese beiden Flimmerkisten-Fortsetzungsromane angucke. "Twin Peaks" von David Lynch ist ja leider schon "verjährt", was auch für "Kir Royal", der einzigen jemals wirklich guten deutschen "Action-Satire" gilt, die allerdings auch keine wirkliche "Serie", sondern ein sogenannter "Mehrteiler" eines verdammt guten Fernsehspiels von Helmut Dietl war.

Aber hier geht es ja um übliche TV-Serien, von denen man normalerweise 90 Prozent als Schrott bezeichnen kann. Umsomehr fällt "4400" sehr angenehm für jeden auf, der die vielen Andeutungen versteht, die uns an bestimmte Figuren, Ereignisse und vor allem Ängste aus "unserer derzeitigen Welt" erinnern sollen. Insofern ist diese Serie auch hochpolitisch – zumindest für jene Zuschauer, die für den "Wink" keinen "Zaunpfahl" brauchen, sondern eher die stillen kleinen Hinweise auf die derzeitige aktuelle Welt genießen, mit der bzw. in der wir alle leben müssen. Und diese Welt ist nun mal zur Zeit ziemlich kaputt.

"4400" ist nicht wieder eine der gewohnten TV-Serien, mit denen man uns von dieser Kacke wenigstens "nach Feierabend" ablenken will, sondern die Schöpfer wollten diesmal wohl genau das Gegenteil erreichen: Einfach öfter mal auch vor der Glotze das Gehirn einschalten, damit uns vielleicht doch noch mal irgendwann "ein Licht aufgeht". Und wenn man dann sehr gute, wenn auch bisher unbekannte Schauspieler dafür nimmt und angesehende Drehbuch-Autoren verpflichtet und hinter den Kulissen auch sonst exzellente Movie-Profis zum Beispiel für die richtige Auswahl der Charaktere, aber auch in der Nachbearbeitung für ein verdammt gutes Cutting sorgen, dann hat auch der reine "Action"-Fan etwas davon, auch wenn er nicht gleich alles sofort versteht ;-)

Gemessen am sonst eher tristen TV-Serien-Alltag, ragt "4400" auf jeden Fall aus dem 0815-Einheitsbrei sehr angenehm hervor und bestätigt wieder mal meine seit Jahren geprägte Ansicht, daß alles, was mit Film und Fernsehen zu tun hat, noch immer am besten bei den Amerikanern aufgehoben ist. Sie können es einfach besser. Vor allem, wenn es um gewagte Mischungen zwischen "Action und Niveau" geht, was in Europa eigentlich nur die Franzosen, immer öfter auch die Schweden und manchmal sogar die Holländer hinbekommen.

Deutsche Filmemacher haben das zwar auch immer wieder mal versucht – herausgekommen ist aber meist nur "Kitsch". Und deshalb verwundert es mich auch nicht, daß dieser deutsche Begriff so oft auch in englischsprachigen Rezensionen verwendet wird. In letzter Zeit sogar öfter als "Kindergarten", und das soll schon etwas heißen. Und in unser Wort "Zeitgeist", für das es in anderen Sprachen tatsächlich kaum eine passende Übersetzung gibt, hat sich die Welt ja schon seit vielen Jahren verliebt.

"4400" ist eine Serie, die tatsächlich den "Zeitgeist" triff, indem sie zwar merkwürdige Vorkommnisse auf einer Welt beschreibt, die zweifelsfrei noch vor uns liegt, aber uns gleichzeitig auch an durchaus reale aktuelle Probleme erinnert, zu deren Lösung wir uns eigentlich auch jetzt schon mal Gedanken machen könnten.

Gruß Ben