Thema: Stichtage
Einzelnen Beitrag anzeigen
25. June 2006, 21:32   #207
Jules
 
Benutzerbild von Jules
 
Registriert seit: September 2002
Ort: Nähe Düsseldorf
Beiträge: 2.352
25. Juni 1876: Die Schlacht am Little Bighorn

In der Schlacht am Little Bighorn am 25. Juni 1876 wurde das siebte US-amerikanische Kavallerieregiment unter George A. Custer von Indianern der Lakota-Sioux, Arapaho und Cheyenne unter ihren Führern Sitting Bull und Crazy Horse am Little Bighorn River im heutigen Montana vernichtend geschlagen.

Es war einer der ganz wenigen größeren indianischen Siege gegen die europäischen Eindringlinge. Die Niederlage ist laut heutiger Analysen maßgeblich der Selbstüberschätzung Custers zu verdanken, der nicht damit rechnete, auf ein gewaltiges Kriegslager der Indianer zu treffen und mit seinen aufgesplitterten Truppen auf verlorenem Posten stand.

Verlauf der Schlacht

Die amerikanischen Streitkräfte wurden letztlich aufgrund eines Berichts des Indianer-Inspektors E.C. Watkins vom 9. November 1875 entsandt, dem zufolge einige Hundert Sioux und Cheyenne-Indianer unter der Führung von Sitting Bull und Crazy Horse den Vereinigten Staaten feindlich gesinnt seien.

Dem vorausgegangen waren Versuche, die Sioux-Indianer zum Verkauf der Black Hills zu bewegen. Die Black Hills waren den Sioux wie auch den Cheyennes heilig und galten ihnen als Mittelpunkt der Welt. Eine vertragswidrige Militärexpedition unter General George Armstrong Custer hatte zwei Jahre zuvor von Goldfunden in den Black Hills berichtet, was zu einem Ansturm zigtausender Goldsucher geführt hatte. Die Black Hills lagen zwar knapp jenseits der Westgrenze der Großen Sioux-Reservation von 1868, gehörten jedoch zu einem riesigen Gebiet, in dem die Sioux ausschließliche Jagdrechte zugebilligt bekommen hatten, "solange die Büffelbestände die Jagd rechtfertigen". Nachdem die US-Armee einige halbherzige Versuche unternommen hatte, die Goldsucher aus den Black Hills zu vertreiben und einzelne Sioux-Trupps Jagd auf die Invasoren machten, begann die US-Regierung Kaufverhandlungen mit den Sioux-Indianern der Reservation. Die Reservationsindianer unter Red Cloud lehnten einen Verkauf jedoch ab. Bestimmte Gruppen unter Sitting Bull, Crazy Horse und Gall hatten ohnehin nie den Vertrag von 1868 anerkannt und hielten sich außerhalb der Sioux-Reservation in den nicht abgetretenen Jagdgebieten auf. Im Dezember 1875 beschloss die US-Regierung, die Black Hills den Indianern mit Gewalt zu entreißen. Sie setzte den Indianern ein Ultimatum, mitten im Winter in die Reservation "zurückzukehren" und somit die Black Hills für die Weißen zu räumen. Abgesehen davon, dass viele Sioux und Northern Cheyennes aus gar keinen Reservationen stammten, in die sie hätten zurückkehren können, wäre es ihnen unmöglich gewesen, dem Ultimatum mitten im tiefsten Winter nachzukommen.

Als der Winter vorbei war, verließen tausende von Reservationsindianern heimlich die Reservation, um sich ihren freien Stammesgenossen im Gebiet der Black Hills und am Powder River anzuschließen.

Gleichzeitig schickte sich die US-Armee an, in einer dreigliedrigen Zangenoperation die Indianer am Powder River vernichtend zu schlagen und in die Reservation zu zwingen.

Brigadegeneral George Crook marschierte in nördlicher Richtung von Fort Fetterman in Wyoming zum Gebiet des Powder River. Colonel John Gibbons Infanterie und eine Batterie von Gatling-Kanonen marschierte ostwärts von Fort Ellis im westlichen Montana. Die dritte Marschsäule unter Brigadegeneral Alfred Terry, der auch Custers 7. Kavallerie unterstand, machte sich am 17. Mai von Fort Abraham Lincoln im Dakota-Territorium in Richtung Westen auf den Weg.

Crooks Streitmacht wurde am 16.06.1876 in der Schlacht am Rosebud River von einer etwa gleich großen Streitmacht von Sioux und Cheyennes überrascht und in ein stundenlanges Kavalleriegefecht verwickelt. Obwohl die beiderseitigen Verluste eher gering waren und die US-Armee vermutlich weniger Männer verlor als die Indianer, war Crook von der Schlagkraft der Indianer schockiert und zog sich zurück, um sich um die Verwundeten zu kümmern und Nachschub zu besorgen. Damit war der südliche Angriffskeil der US-Armee praktisch aus dem Feldzug ausgeschieden.

Terrys Truppe wußte hiervon nichts. Terry schickte Custer mit der 7. Kavallerie entlang des Rosebud-Tals in Richtung Bighorn-River, um die Indianer zu suchen. Seine Befehle an Custer waren sehr auslegungsfähig. Zum einen wurde von Custer erwartet, dass er nicht ohne die Hauptstreitmacht von Terry gegen die Indianer losschlagen sollte, zum anderen wurde ihm jedoch große Handlungsfreiheit gelassen.

Custers Truppe umfasste etwa 600 Mann. Wie groß die Streitmacht der Indianer war, wird sich nie genau feststellen lassen. Schätzungen in der Vergangenheit sind oft weit übertrieben gewesen und gingen bis zu 7000 Kriegern. Heute wird vielfach angenommen, dass das Indianerdorf in seiner anzunehmenden Ausdehnung nicht mehr als 950-1200 Krieger umfasste. Custer hatte strikten Befehl, die Indianer nicht direkt anzugreifen. Angebotene Verstärkungstruppen und bessere Waffen lehnte er ab. Dabei ist oft angenommen worden, dass er den Ruhm nicht teilen wollte. Zumindest bezüglich der angebotenen Gatling-Kanonen wird heute allgemein angenommen, dass Custers Einschätzung zutraf, dass diese Kanonen für die Unterstützung eines Kavallerieangriffs völlig ungeignet waren. In der Tat war das Terrain am Little Bighorn für solche Waffen in weiten Teilen unpassierbar. Bereits auf dem Marsch hatten sich die pferdegezogenen Kanonen überschlagen und gefährliche Unfälle verursacht.

Am Morgen des 25. Juni orteten Custers Späher das Indianerdorf im Tal des Little Bighorn River. Sie erstatteten Custer Bericht und informierten ihn über eine gewaltige Übermacht. Custer ignorierte ihre Warnungen und entschied sich zum Angriff. Eine wichtige Rolle spielte seine Befürchtung, dass seine Streitmacht bereits entdeckt war und der Überraschungseffekt drohte, verloren zu gehen. Einige Soldaten hatten kurz zuvor versucht, auf dem Weg verlorene Essensrationen wieder einzusammeln, als sie auf zwei Indianerjungen stießen, die sich bereits über den am Boden verstreuten Zwieback hermachten. Einen hatten sie erschossen, der andere war in Richtung Indianerdorf entkommen.

Gegen Nachmittag teilte Custer seine Truppen, um aus verschiedenen Richtungen vorzustoßen: Hauptmann Benteen erhielt drei Kompanien unterstellt und den Auftrag, die zur Linken gelegenen Badlands zu durchstreifen; Major Reno bekam ebenfalls drei Kompanien und den Befehl durch das Tal flussaufwärts zu marschieren und die Indianer von der anderen Seite des Flusses am Südende des Lagers zu attackieren. Custer selbst würde mit fünf Kompanien am Nordende des Lagers angreifen, wenn Renos Angriff begonnen hätte. Hauptmann McDougall blieb mit einer Kompanie zurück um den Versorgungszug zu schützen.

Um 15.05 Uhr griff Renos Trupp das südliche Ende des Indianerlagers an. Obwohl die Überraschung zunächst glückte, etwa zehn Frauen und Kinder erschossen wurden und viele Dorfbewohner in Panik die Flucht ergriffen, gelang es den Hunpapa-Sioux unter Führung von Gall schnell, Renos Angriff abzuwehren. Erst eröffneten sie frontal das Feuer auf Renos Männer, dann begannen sie, seine linke Flanke zu überflügeln und aufzurollen. Reno zog sich in einen nahen Pappelwald zurück. Als seine Männer auch dort von den Indianern angegriffen wurden, verwandelte sich der Rückzug der US-Soldaten schnell in eine panische Flucht. Einige von ihnen wurden auf der Flucht durch den Fluss niedergemetzelt, aber die meisten erreichten die rettenden Felsenklippen. Benteen hatte die Ereignisse beobachtet; er begab sich mit seinen Männern zu Renos Stellung. Kurz zuvor hatte er noch einen Befehl Custers erhalten, den er nicht ausführte: Er sollte Custer unterstützen, dessen Angriff ungefähr zur selben Zeit, um 16.15 begann. Später sagte er aus, es wäre seinen drei Kompanien unmöglich gewesen, Custer zu retten und diesen Einsatz zu überleben. Entscheidender ist hingegen, dass Benteen vom ranghöheren Reno den Befehl bekam, seine belagerten Männer vor Ort zu verstärken anstatt sich auf die Suche nach Custer zu machen. Reno war nach den Befehlsregeln berechtigt, den Befehl seines Vorgesetzten Custer an Benteen aufgrund der prekären Situation vor Ort durch seinen eigenen Befehl zur Unterstützung seiner Truppe außer Kraft zu setzen.

Custers Männer griffen den Hügel hinab an, doch sie wurden von einer großen Zahl Sioux unter Häuptling Gall zurückgedrängt. Weitere Krieger der Sioux unter Crazy Horse und der Cheyenne unter Two Moon umgingen Custers Stellung und schnitten ihm den Rückzugsweg ab. Wirbelnde Indianermassen überrannten eine Kompanie nach der anderen. Zunächst kämpften die US-Soldaten noch in Formation, doch bald zerfiel diese und die Truppen kämpften in immer kleineren ungeordneten Gruppen. Custer und ungefähr 60 seiner Männer waren die letzten, die getötet wurden, auf einer kleinen Anhöhe, die heute Custer Hill oder Last Stand Hill genannt wird. Gerüchte, die von Berichten der Cheyenne herrühren, sagen, dass Custer selbst als letzter fiel. Seine fünf Kompanien wurden restlos vernichtet. Außer Custer selbst wurden alle Leichen furchtbar verstümmelt und skalpiert, Custers Bruder Tom wurde das Herz herausgeschnitten. Um 17.30 Uhr war die eigentliche Schlacht vorbei.

Am Abend versuchten Reno und Benteen, den Ort des Geschehens zu erreichen, wurden aber von den Indianern wieder zu den Felsklippen gejagt und dort belagert. Die Indianer griffen die Stellung aber nicht an, sondern töteten nur einzelne Soldaten mit gezielten Schüssen aus der Entfernung. Am Nachmittag des 26. Juni zogen die Indianer nach Süden ab, am nächsten Morgen trafen die Truppen Terrys ein, auf die Custer eigentlich hätte warten sollen.

Die 7. Kavallerie hatte 281 Mann verloren, 59 wurden verwundet. Unglaublicherweise waren nur rund 40 Indianer auf dem Schlachtfeld gefallen, wie viele allerdings später ihren Verletzungen erlagen, ist unbekannt.

Reflexion als geschichtliches Ereignis

Auch mit Unterstützung Custers Witwe wurde die Niederlage in der US-Geschichte und zahlreichen Filmen als Kampf eines heldenhaften Generals gegen die Wilden verklärt. Nachdem die Behandlung der Indianer bei der Eroberung Amerikas mittlerweile als Unrecht begriffen wird, hat sich zum Ende des 20. Jahrhunderts das Bild der Schlacht am Little Bighorn und das des "Generals Custer" gewandelt; einen Brevet-Rang den er nur zeitweise während des amerikanischen Bürgerkriegs innehatte. Maßgeblich dafür sind auch Berichte von Zeitzeugen, die Custer als militärischen Karrieristen darstellen, dem - damit allerdings dem damaligen Zeitgeist entsprechend - jedwedes Unrechtsbewußtsein im Kampf gegen die nordamerikanischen Ureinwohner fehlte.

Zwischen 1999 und 2003 wurden am Ort der Schlacht Denkmäler für gefallene Indianerkrieger enthüllt. Am 127. Jahrestag der Schlacht im Jahr 2003 wurde die historische Stätte vom "Custer Battlefield National Monument" zum "Little Bighorn Battlefield National Monument" umbenannt.

Die Schlacht am Little Bighorn ist deshalb von besonderer Bedeutung, weil sie ein Fanal in der sonst eher schleichend betriebenen und von der Weltöffentlichkeit kaum beachteten Vernichtung der nordamerikanischen Urbevölkerung darstellt. Für das Selbstbewußtsein der nordamerikanischen Prärieindianer ist der Sieg, der das langjährige Schicksal der Indianer als quasi Gefangene in ihrem eigenen Land nicht verhindern konnte, von großer Bedeutung.

Klick