Einzelnen Beitrag anzeigen
3. October 2006, 08:29   #8
tw_24
 
Benutzerbild von tw_24
 
Registriert seit: May 2002
Beiträge: 1.018
Zitat:
Zitat von Ben-99
... liest Du jetzt etwa außer Eurem "Bahamas"-Gebetsbuch überhaupt keine normalen Zeitungen mehr? Denn dann wüßtest Du, daß fast alle großen Blätter die Brisanz des Woodward-Buchs ähnlich einschätzen. Zum Beispiel auch die "Financial Times Deutschland" (siehe unten).
Thomas Klau, den FTD-Mann in Washington, mußt Du Dir merken. Der mag nämlich zwar dort sein, aber nicht ganz da, und das sollte Dich erfreuen. Im Juni schildert er die USA als eine Militärdiktatur etwa so: "Was Amerikas Fernsehen und Tagespresse sein lassen, wagt Amerikas Politik erst recht nicht. In der öffentlichen Diktion der Republikaner wie der Demokraten sind die US-Streitkräfte die besten und reinsten der Welt, und ihre Mitglieder allesamt Helden - die Blüte der Nation."

Die Blüte der FTD hat sich aber erst in Stimmung geschrieben, um den Rundumschlag zu wagen: "Im Ganzen betrachtet schwimmt Amerikas Öffentlichkeit auf einer seit September 2001 kaum abgeebbten Welle patriotischer Gefühligkeit, die Selbsterkenntnis und Urteilsfähigkeit allzu oft im Morast überemphatischer Vaterlandsliebe versinken lässt. In den USA von heute diskutiert das Militär eigenes Versagen härter und offener als Presse und Politik es wagen. Das sagt alles." Und zwar über einen, nach dessen fundiertem Urteil es einen Bob Woodward höchstens in Uniform geben dürfte.

Seine Kolumne überschrieb der Deutsche in der Diaspora mit einem ganz besonders schönen Merksatz: "Die USA scheitern als Besatzer im Irak, weil zu Hause Politik und Medien als kritische Kontrolleure versagen". Denn "in den Medien spiegelt sich auch etwas Fundamentaleres: eine Gesellschaft, die in einem für Europäer unvorstellbaren Maß auf den Kult von Vaterland, Fahne, Soldatentum und Männlichkeit eingeschworen ist. 'Salute our Heroes', 'Grüßt unsere Helden', heißt zum Beispiel eine Arbeitsvermittlungsmesse für Veteranen, die nicht etwa vom Pentagon veranstaltet wird, sondern von der 'New York Times'."

Die wirst Du also wohl nicht mehr via SPIEGEL zitieren dürfen, denn sie warb für eben diese Veranstaltung "mit einem zackigen Soldatenfoto, dessen Ästhetik nicht nur in Deutschland an undemokratische Zeiten erinnern würde." Doch die USA sind nunmal nicht Deutschland, Pech für Thomas Klau, der bestimmt schockierter war als das Weiße Haus als "das Buch in den Regalen" lag, amerikanischen wohlgemerkt, oder als "Woodward am Sonntagabend dem TV-Sender CBS" irgendwas erzählte. Was Amerikas Fernsehen und Tagespresse so alles sein lassen ...

Also, lieber Papa, bei der FTD steht Deutschland nicht umsonst im Titel, von einer normalen Berichterstattung über Amerika ist sie daher mit ihrem Thomas Klau weit entfernt; gelegentlich lese ich aber sogar seine kleinen unfreiwilligen Satiren.

MfG
tw_24