Thema: Stichtage
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18. October 2006, 09:07   #323
Jules
 
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18. Oktober 1977: Befreiung der Landshut

Verlauf der Entführung



Beginn
Am 13. Oktober 1977 wurde der Lufthansa Flug LH 181 von Palma nach Frankfurt vom aus vier Personen bestehenden palästinensischen Terrorkommando Martyr Halimeh entführt. Ihr Anführer war Zohair Youssif Akache (23), der sich Captain Martyr Mahmud nannte. Die drei anderen Entführer waren Souhaila Andrawes alias Soraya Ansari, der Libanese Riza Abbasi und Nadia Duaibes alias Shanaz Holun.

Die Maschine wurde nach Rom geleitet, wo aufgetankt wurde und Mahmud erstmals die Forderungen seines Kommandos verkündete. Diese waren identisch mit denen der Entführer von Hanns-Martin Schleyer; zusätzlich forderte man noch die Freilassung zweier in türkischer Haft sitzender Gesinnungsgenossen sowie die Summe von 15 Millionen US-Dollar.

Verfolgung
Von Rom aus flog die Maschine über Larnaka und Bahrain weiter nach Dubai. Hier gelang es am 16. Oktober dem Piloten Jürgen Schumann, den Behörden Informationen über die Anzahl der Entführer mitzuteilen. Durch ein Interview des Verteidigungsministers von Dubai erfuhren auch die Entführer davon. Daraufhin ließ Mahmud den Flugkapitän im Gang niederknien und drohte, ihn bei einem weiteren Vorfall zu erschießen.

Seit Larnaka folgte den Entführern eine Maschine mit Angehörigen der GSG 9. Nach erneutem Auftanken flog die Landshut weiter nach Aden im damaligen Südjemen. Die dortige Regierung ließ jedoch alle Landebahnen blockieren. Da der Treibstoff zur Neige ging, blieb der Crew keine andere Möglichkeit, als die Landshut auf einem Sandstreifen neben der Startbahn niederzubringen. Dem Kapitän wurde das Verlassen des Flugzeugs gestattet, um das Fahrwerk zu inspizieren. Da Jürgen Schumann längere Zeit nicht zurückkehrte und auch nicht auf Anrufe Mahmuds reagierte, wurde er nach seiner Rückkehr von Mahmud im Mittelgang des Flugzeugs mit einem gezielten Kopfschuss ermordet - offenbar auch, um den Forderungen mehr Nachdruck zu verleihen. Die Gründe für das zwischenzeitliche Verschwinden Schumanns sind unbekannt. Es wird vermutet, dass er von den Behörden in Gewahrsam genommen wurde und so erst später wieder zurückkehren konnte. Mahmud erschoss Schumann, bevor dieser die Gründe erklären konnte.

Mogadischu
Die Maschine wurde erneut aufgetankt und hob am 17. Oktober, nur noch durch den Kopiloten Jürgen Vietor gesteuert, ab und nahm Kurs auf die somalische Hauptstadt Mogadischu, wo sie gegen 4:30 Uhr (MEZ) landete. Die Leiche des Piloten wurde aus dem Flugzeug geworfen und die Entführer setzten ein Ultimatum bis 15 Uhr MEZ, um die RAF-Mitglieder aus dem Gefängnis Stuttgart-Stammheim zu entlassen. Als die Nachricht kam, dass dieser Forderung nachgegeben würde, die Überführung nach Mogadischu aber mehrere Stunden benötige, verlängerten die Entführer das Ultimatum erneut, diesmal bis zum 18. Oktober, 1:30 Uhr MEZ.

Am 18. Oktober um 0:05 Uhr MEZ stürmte das GSG 9-Kommando unter Führung von Ulrich Wegener die in Mogadischu gelandete Landshut. Während der siebenminütigen Aktion wurden drei der vier Geiselnehmer getötet, lediglich Souhaila Andrawes überlebte. Außerdem wurden ein GSG 9-Mann sowie die Stewardess Gabriele Dillmann verletzt. Um 0:12 Uhr MEZ konnte der mitgereiste Staatsminister Hans-Jürgen Wischnewski dem damaligen Bundeskanzler Helmut Schmidt den Abschluss der Aktion melden.

An der Operation waren auch zwei Angehörige der britischen Spezialeinheit SAS sowie indirekt ein somalisches Ranger-Batallion beteiligt. Erstere wirkten mit bei der Planung der Operation und zündeten neu entwickelte Blendgranaten (stun grenades) zu Beginn der Aktion, letztere waren zur Sicherung des Flughafengeländes eingesetzt. Am eigentlichen Sturm auf das Flugzeug in Mogadischu waren jedoch ausschließlich Deutsche beteiligt.

Nachspiel
Die inhaftierten RAF-Mitglieder Jan-Carl Raspe, Gudrun Ensslin und Andreas Baader wurden am Morgen des 18. Oktober tot in ihren Zellen aufgefunden. Irmgard Möller überlebte die „Todesnacht von Stammheim“ mit mehreren Messerstichen in der Herzgegend. Nach offizieller Darstellung handelte es sich um Selbstmord bzw. Selbstmordversuch. Am Tag darauf gab die RAF die „Hinrichtung“ von Hanns-Martin Schleyer bekannt. Seine Leiche wurde in Mülhausen im Elsass aufgefunden.

Durch den Erfolg der Operation bekam die GSG 9 international einen sehr guten Ruf und zählt bis heute zu den weltweit besten Spezialeinheiten.

Das Flugzeug, in welchem sich die Entführung abspielte, eine Boeing 737-230C mit der Seriennummer 20254-230 und dem deutschen Kennzeichen D-ABCE, gehört jetzt, nach mehreren Stationen u.a. in Indonesien und Malaysia, der brasilianischen Fluggesellschaft TAF Linhas Aéreas, die es weiterhin einsetzt.

Regierung
Die Befreiungsaktion geschah auf Befehl der Bundesregierung. Wie der damalige Bundeskanzler Helmut Schmidt später zugab, hätte er im Falle eines Scheiterns der Befreiungsaktion oder bei zu vielen toten Geiseln seinen Rücktritt eingereicht. Es lag bereits eine fertige Rücktrittserklärung vor, die nach der geglückten Aktion vernichtet wurde.

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