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31. December 2006, 20:54   #17
Ben-99
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... auch nach der Hinrichtung Saddams "nur" wieder die üblichen Zahlen: Bis zum Nachmittag heute die gewohnten rund 100 täglichen Todesopfer im Land, das durch George Bush, dem selbsternannten "Welt-Polizisten" und Führer der westlichen Radikal-Christen, mehr und mehr in blutigem Chaos versinkt. Aber Anschläge aus Rache werden ganz sicher in nächster Zeit folgen. Es muß ja nicht im Irak sein, denn die Feinde der amerikanischen Besatzer mögen auch keine Länder, in denen sich eine Kanzlerin mit einem Massenmörder beim launigen Grillfest amüsiert.

Und zur gewohnten Bürgerkriegs-Statistik gehört auch der schon seit langem übliche Hinweis, daß auch der aktuelle Monat Dezember wieder für einen neuen Rekord an Blutvergießen steht, seitdem Bush und Rumsfeld vorher monatelang die Welt belogen hatten, um dann ohne Uno-Mandat einen verbrecherischen Angriffskrieg gegen den Irak zu führen, bei dem bis jetzt so viele Zivilisten durch amerikanische Bomben, aber auch durch systematische Folter umgekommen sind, daß der Präsident der USA eigentlich dieselbe Strafe verdient hätte.

Aber nur, wenn man prinzipiell für die Todesstrafe ist. Doch zum Glück bilden diese Ewiggestrigen nur eine Minderheit, was die hauptsächlich kritischen, zum Teil empörten Reaktionen der meisten anderen Staaten auf die von den US-Besatzern gewünschte, wohl auch geforderte, Exekution Saddams im Schnellverfahren zeigen, obwohl man doch gerade in den USA zum Tode Verurteilte jahrelang, manchmal sogar jahrzehntelang, in der Todeszelle schmoren läßt. Am besten hat mir noch der Kommentar der italienischen Zeitung "La Repubblica" gefallen:

Zitat:
"Er wurde als Marionette geboren, die von Washington gebaut und bewegt wurde, um im Kalten Krieg gegen die (...) iranischen Ayatollahs benutzt zu werden. Und Saddam Hussein ist auch als Marionette gestorben, an derselben amerikanischen Kordel hängend, die ihn zuvor auf den Füßen hielt und ihm letztlich das Genick gebrochen hat. Die Geschichte Saddam Husseins reicht von geheimen Finanzierungen über den freundlichen Händedruck Donald Rumsfelds in Bagdad bis hin zu seiner in Auftrag gegebenen Erhängung. (...) Eine kriminelle Marionette ist gestorben, die zerbrochen und weggeworfen wurde ... Aber auch wenn Saddam tot ist: Der "Vietnak", wie der Konflikt mittlerweile mit einem bitteren Wortspiel genannt wird, bleibt."

Internationale Presse: "Hinrichtung einer Marionette"
Selbstverständlich wäre es eine härtere Strafe für den Diktator Saddam gewesen, wenn man ihn bis zu seinem Lebensende eingesperrt hätte. Doch dann wären durch ihn vielleicht noch mehr peinliche Details ans Licht gekommen, die der Welt gezeigt hätten, wie eng die heuchlerische USA damals mit Saddam verbündet waren und sie ihm nicht mal die Freundschaft kündigten, nachdem er 5.000 eigene Landsleute vergasen ließ. Deshalb wurde dieser Anklagepunkt auch erst gar nicht verhandelt. Beruhigend auch für uns Deutsche, die mal wieder die Chemikalien dafür geliefert hatten. Aber auch Konzerne anderer europäischer Staaten haben jahrelang üppig profitiert von den Handelsbeziehungen, vor allem im Rüstungsbereich, mit ihrem damaligen Freund Saddam, obwohl sie genau wußten, was für ein Verbrecher er war.

Man könnte kotzen über die Scheinheiligkeit, wenn sich nun heute auf einmal alle einig sind und Saddam als Inbegriff des Bösen hochstilisieren. In der Presse hatte ich das erwartet, nicht aber auf den Boards. Und deshalb hatte ich bewußt auch erstmal einen Tag abgewartet, bevor ich die Hinrichtung kommentiere. Ich wollte erstmal sehen, wie die Reaktion auf anderen Boards ausfiel.

Eigentlich bin ich diesbezüglich beruhigt, da sich die große Mehrheit auch im deutschen Internet ganz klar gegen die Todesstrafe ausspricht. Um so erschreckender ist es, hanebüchene reaktionäre Haß-Beiträge von Leuten zu lesen, die zum Beispiel so etwas fordern:

Zitat:
Ich wäre für einen offenen Käfig gewesen, in den er LEBENSLANG eingesperrt und zur Schau gestellt würde. Ein Käfig, an dem Leute entlang gehen können, ihn gespucken, mit Tomaten und faulen Eiern bewerfen oder sonstige, ihrer eigenen Kreativität entsprungenen Dinge tun können. Dinge, die menschenunwürdig sind, so dass Hussein nur mal annähernd am eigenen Körper erfahren kann, was er anderen Menschen angetan hat.

Todesurteil
Oder es ist einfach nur schlichter Blödsinn, den man von Leuten liest, die ihre politische Bildung anscheinend aus Kreuzworträtseln oder alten "Landser"-Heften haben:

Zitat:
Ich bin dagegen, daß irgend ein Gericht die Todesstrafe in eine lebenslange Haftstrafe umwandelt. Eine lebenslange Haftstrafe bietet Saddam Hussein jederzeit die Möglichkeit, dort weiterzumachen, wo er aufgehört hat, z.B. durch Putsch oder Krieg

(...)

Der neben Milosevic größte Kriegsverbrecher bzw. die Menschenrechte Missachtender der Nachkriegszeit hat seine gerechte Strafe erhalten.

Todesurteil

Todesurteil
Zum Glück gehören diese Entgleisungen auf Pumas Board, die noch weit unterhalb des "Bild"-Niveaus liegen, zu den seltenen Ausnahmen, und auch sie selbst hat wie die meisten anderen unmißverständlich ihre Ablehnung gegen die Todesstrafe zum Ausdruck gebracht.

Bedrückend ist allerdings, daß solche politischen Dünnschiß-Furzer nichts zu befürchten haben, weil sie sich schon beim nächsten harmlosen Offtopic-Thema wieder durch lustige Beiträge in die Herzen der Boardgemeinschaft schreiben können. Beruhigend zu wissen, daß wir in Deutschland nicht mehr in einer Diktatur leben. Denn damals hätten wohl auch viele Leute gesagt: "Mein Nachbar möchte zwar, daß man das ganze Pack aufhängt, aber sonst ist er eigentlich ein Lieber, wenn wir beim Bier zusammensitzen und er immer so schöne Witze erzählt."

Vielleicht hat Saddams Hinrichtung wenigstens ein Gutes, weil die fast einhellige ablehnende Reaktion der Weltgemeinschaft einmal mehr gezeigt hat, wie isoliert die USA inzwischen sind. Möge das irgendwann auch für die paar Leute auf den Boards gelten, die zwar oft so "locker" tun, jedoch anscheinend nichts dazugelernt haben und insgeheim den Kalender am liebsten wieder um 70 Jahre zurückblättern würden.

Gruß Ben