Am Anfang hat es das Berliner Kabarett "Die Stachelschweine" nicht leicht. Einmal verirrt sich Walther Giller mit seiner Frau Nadja in die ansonsten leeren, dunklen Räume. Giller hat sich bereits als Filmschauspieler einen Namen gemacht. Deshalb beschließt die Truppe, trotzdem zu spielen. "Und das werd' ich nie vergessen", erinnert sich Edith Hanke: "der Walther hat sich kaputt gelacht, und Nadja saß schön, also wie ein Bild neben ihm und hat, glaube ich, überhaupt nichts mitgekriegt. Und das war unser einsamster Abend."
Berliner Schnauze inklusive
Dass der einsamste Abend der "Stachelschweine" doch erfolgreich wird, ist vor allem ihrem eigentlichen Star Wolfgang Gruner zu verdanken. Gruner wird 1926 in Rathenow geboren. Bevor ihn die Wehrmacht einzieht, will er Steuerberater werden. Während seiner fünfjährigen Kriegsgefangenschaft in Russland entdeckt er dann seine Liebe zum Theater. Gruner nimmt Schauspielunterricht, 1951 steht er auf Empfehlung Harald Juhnkes erstmals als Kabarettist der "Fliegenpilze" auf der Bühne. Im selben Jahr stößt er zu den "Stachelschweinen" und drückt dem Ensemble seinen Stempel auf. Auf und hinter der Bühne hat Gruner das Sagen. Was er an politischen Themen bestimmt, ist Gesetz. Sein Grundsatz, dass das Kabarett die Demokratie erhalte, wird zum künstlerischen Motto. Die Autorität versüßt er seinen Mitspielern durch Leckereien und Suppenpausen während der Probezeiten. "Er war der Guru", sagt Mit-Kabarettistin Birgit Edenharter. "Er war das Stachelschwein."
Später wird Gruner im Fernsehen berühmt. In Wim Thoelkes Quizshow "Der Große Preis" im ZDF gibt er den Taxifahrer Fritze Flink. Der Name ist Programm: Denn Gruner verfügt nicht nur über die Berliner Schnauze, sondern gibt mit Gebrabbel ohne Punkt und Komma seinen oft hintersinnigen Texten einen besonderen Reiz. Trotz dieser TV-Erfolge bleibt Gruner den "Stachelschweinen" treu. Immer wieder steht er auf der Bühne, insgesamt über fünf Jahrzehnte, bis ihn ein Krebsleiden als Kabarettist melancholischer macht und schließlich zur Aufgabe zwingt. "Weißt du, Birgit", sagt er einmal zu Edenharter, "ich bin schon so lange hier, und ich würde gern noch ganz lange kommen. Ich komme immer so gerne jeden Abend." Da hat der bereits in sich zusammengefallenen Gruner noch ein bis zwei Kurzauftritte in der Woche. Er stirbt am 16. März 2002 in Berlin.
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