Über den
WASG-Mitbegründer Ernst Ulrich, Mitglied der von
Oskar Lafontaine zusammen mit
Gregor Gysi geführten
Linksfraktion im
Reichstag, schrieb der
SPIEGEL kürzlich (23/2007, S. 60) anerkennend, dieser führe sich im Zusammenhang mit der Entlassung einer schwangeren Mitarbeiterin auf
"wie ein Kapitalist alter Schule".
"Er bestehe darauf, heißt es in einem Schriftsatz seiner Anwälte, 'dass ein weiterer Arzt noch einmal Schwangerschaft und den mutmaßlichen Tag der Entbindung schriftlich bescheinigt'. Sogar die Vorlage eines Mutterpasses wurde verlangt."
Ernst Ulrich soll - in der
Linksfraktion - kein Einzelfall sein.
"Es habe, heißt es in einem Ver.di-Papier, bereits im 'ersten Jahr der Legislatur Entlassungen in zweistelliger Höhe' gegeben. Ein Fraktionsmitglied etwa, langgedienter Gewerkschafter, hätte sein komplettes Team ausgetauscht, andere erst reihenweise Leute auf 400-Euro-Basis beschäftigt, später die Verträge wieder aufgelöst. Wiederum andere würden einstellen und entlassen, wie es ihnen passt - schließlich haben sie ja bei Betrieben bis zu zehn Beschäftigten relativ freie Hand." Und
keinen Betriebsrat, der sie bremste.
Wie glaubwürdig ist eine
Bundestagsfraktion, die lautstark einen
Mindestlohn fordert, woran nichtmal etwas auszusetzen ist, dann aber - unter den Augen des zum
Parteichef gekrönten
Oskar Lafontaine - im eigenen Laden sich Praktiken leistet, die sogar die
FAZ erfreuen dürften? Darf man es als Armutszeugnis bezeichnen, wenn
ver.di ausgerechnet für
Mitarbeiter linksfraktioneller MdBs auf deren Wunsch
"eine Sprechstunde" anbieten und versichern muß,
"alle Angaben und Informationen werden selbstverständlich absolut vertraulich behandelt"?
Oskar Lafontaine im
Kampfanzug ließe sicher noch den edlen
Che Guevara erblassen, aber wer sich positiv auf ihn bezieht, der auf so vielen
T-Shirts von
linken wie
rechten Nazis stolz umhergetragen wird, müßte wiederum auch von einer
Linken, die glaubwürdig
Pazifismus für sich beanspruchen will, zum Teufel gejagt werden. Denn die
Permanente Revolution, die
Guevare in
Lateinamerika entfachen wollte, war doch nichts anderes als
politisch motivierte Gewalt, die auch über Leichen Unschuldiger zu gehen bereit war, laut
Oskar Lafontaine also
Terrorismus.
Doch wo bleibt
Oskar Lafontaines Distanzierung vom - nach
Lafontainscher Definition wohlgemerkt -
Terroristen Guevara? Wo die
Distanzierung der
Linken von
Che-Verehrern,
Terrorismus-Sympathisanten mithin?
Zitat:
Zitat von Ben-99
Lafontaine hätte vielleicht deutlicher betonen sollen, daß er natürlich die Erfolge Chavez im Bereich der Bildung und im Kampf gegen die Armut meint.
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Wie
Armutsbekämpfung in
Chavez-Land aussieht, durften nicht nur die
19.000 entlassenen
PDVSA-Mitarbeiter erfahren, sondern auch all jene, die darauf angewiesen sind in den staatlichen
Mercal-Läden einzukaufen. Dort werden
subventionierte Waren aus
Kooperativen angeboten - durchschnittlich liegen die Preise 42% unter den Marktpreisen -, doch sie binden die Armen doppelt an den Staat: einmal nämlich als
Konsumenten und zugleich aber auch als ärmlichst entlohnte Produzenten in den
Kooperativen, möglich machen es die
Öl-Einnahmen.
"Die Mercal-Supermärkte, beaufsichtigt vom neu gegründeten Ernährungsministerium, werden von Kooperativen in den Barrios und ländlichen Gebieten betrieben. Auf die Reis-, Maismehl-, Nudel-, Trockenmilch- oder Zuckerpackungen, die die Mercal-Filialen vertreiben, druckt man Comic-Zeichnungen, die wichtige Artikel der neuen Verfassung illustrieren. 'Durch die Produkte bekommen die Leute nicht nur Nahrungsmittel', erklärt der stolze Betreiber eines Mercal-Marktes im Stadtteil La Vega, 'sondern sie ernähren sich auch geistig, weil sie die Verfassungsartikel lesen.'" schreibt
Christoph Twickel in seiner
Chavez-Biographie (Hamburg 2006).
So bindet
Chavez die Armen an sich, führt ihnen bei jedem Einkauf vor, was sie ihm schulden. Und begehren sie gegen diese Abhängigkeit auf - nun, das
Mercal-System ist nicht nur auf
Supermärkte beschränkt, es bringt auch genügend
Blockwarte hervor, die
Abweichler schon rechtzeitig wieder auf den richtigen Kurs und ins
Kollektiv zurück bringen werden. Und die, die sich widersetzen sind eben
Agenten des
Imperialismus mit allen Folgen, die ein solcher Vorwurf in
autoritär geführten
Diktaturen haben kann.
Ökonomisch mag das momentan funktionieren, weil
Venezuela über einiges
Öl verfügt, mit dem es auch die aus
Kuba importierten
Ärzte bezahlt, die dann aber dort selbstverständlich fehlen, womit das ohnehin schon zu einem
Zweiklassensystem - die einen
Patienten haben
Dollars, die anderen dürfen beten - verkommene Gesundheitssystem weiter geschwächt wird. Nur geht
Chavez-Land das
Öl aus oder wird etwas billiger, ist es aus mit dem
"Sozialismus des 21. Jahrhunderts", der ein ruiniertes Land hinterlassen wird.
Eine
Linke, die das nicht sieht, nicht sehen will, weil
Hugo Chavez so liebenswürdig gegen
George W. Bush wettert oder zusammen mit seinem
iranischen Freund
Machmirdendshihad gegen die
"zionistische Weltverschwörung", handelt eigentlich ziemlich unverantwortlich - vor allem gegenüber der
venezolanischen Bevölkerung bzw., wie es wohl unter
Linken richtiger heißt, dem
"venezolanischen Volk". Denn diese bzw. das wird unter der Politik
Hugo Chavez' am meisten zu leiden haben, und zwar mit einiger Sicherheit mehr als die Bürger einer beliebigen
bürgerlichen Demokratie unter dem
Kapitalismus.
MfG
tw_24