"Woody durfte das Greystone Hospital in Morristown, New Jersey, nicht mehr verlassen, und ich nahm normalerweise den Bus vom Port-Authority-Terminal, fuhr anderthalb Stunden und ging dann zu Fuß den letzten Kilometer bergauf zum Krankenhaus, einem düsteren und bedrohlich aufragenden Granitgebäude, das wie eine mittelalterliche Festung aussah. Woody bat mich immer, Zigaretten mitzubringen, Raleigh war seine Marke. Meistens spielte ich ihm nachmittags seine eigenen Songs vor."
Als Bob Dylan, wie er in seinen Erinnerungen berichtet, Woody Guthrie 1961 im Krankenhaus besucht, ist der Folksänger bereits seit sechs Jahren dort, unheilbar erkrankt an Chorea Huntington, dem Nervenleiden, dem schon seine Mutter erlag. Er stirbt 1967. Ähnlich düster sieht Guthries Kindheit aus: Am 14. Juli 1912 wird er in Okemah/Oklahoma in wohlhabende Verhältnisse hinein geboren. Aber sein Vater verliert das Vermögen und wird bei einem Unfall schwer verletzt. Eine Schwester stirbt bei einem Brand. Woody wächst von seinen Geschwistern getrennt in wechselnden Pflegefamilien auf. Mit 15 Jahren trampt er allein in den Süden.
Tellerwäscher, Schildermacher und wandernder Sänger
Guthrie wird zum Tramp, schlägt sich als Wanderarbeiter durch. Mal ist er Erntehelfer, mal Tellerwäscher oder Schildermacher, später auch Radioredakteur. Er reist mit den Wanderarbeitern, die nach dem Dust Bowl, den verheerenden Sandstürmen der 30er Jahre, ihre Farmen im Mittleren Westen verloren haben und oft unter Brücken oder in selbstgezimmerten Hütten wohnen. Guthrie setzt seine Erfahrungen mit diesem Amerika in Lieder um. Er erzählt von den kleinen Leuten, aber er prangert ihr Elend auch an. Seine Songs trägt er in Kneipen vor, später auch in Konzertsälen, bei Gewerkschaftsversammlungen und Streiks. Auf seine Gitarre schreibt er zeitweise: "Diese Maschine tötet Faschisten."
Guthries Nachlass bringt später mehr als 3.000 Texte ans Licht. Aufgenommen hat er davon kaum 300. Als er 1940 in New York auftritt, lädt ihn der Liederforscher Alan Lomax in ein Tonstudio ein. Hier entstehen die ersten Aufnahmen von Guthries eindringlichem Gesang zu Gitarre und Mundharmonika, der später Bob Dylan nachhaltig beeinflussen wird. Guthrie legt keinen Wert auf die Rechte an seinen Liedern. Songs wie "I Ain't Got No Home In The World Anymore" werden vielfach nachgesungen - vor allem aber die inoffizielle Gegen-Hymne der USA: "This Land Is Your Land."
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