Irgendwann 1992 steht die damals 50-jährige Amerikanerin Donna Leon mit dem sizilianischen Dirigenten Gabriel Levero und seiner Frau in dessen Garderobe in Venedigs Opernhaus La Fenice. Die Gruppe beginnt über einen jüngst verstorbenen deutschen Dirigenten zu lästern, der, wie sich Leon erinnert, "ein ziemliches Ekel gewesen ist. Und einer von uns, ich weiß nicht mehr wer, sagte, oh, er könnte gleich hier in der Garderobe umgebracht werden. Und ich dachte mir: hm, eine interessante Idee für einen Krimi". Eine Idee zudem, die Leon mit ihrem ersten Roman "Venezianisches Finale" in Literatur umsetzt: Hier wird der deutsche Dirigent Helmut Wellauer in der Pause des letzten Aktes mit Zyankali vergiftet. Der Roman ist die Geburtsstunde eines der berühmtesten Ermittler der Weltliteratur, dessen Fälle seitdem im Einjahresrhythmus erscheinen: Commissario Guido Brunetti von der Questatura in Venedig.
Donna Leon wird am 28. September 1942 in Montclair, New Jersey, geboren. Auf der Farm ihres Großvaters verlebt sie eine glückliche Kindheit. Mit 23 Jahren verlässt sie ihre Heimat, um unter anderem in China, im Iran, in Saudi Arabien und in Italien zu arbeiten. 1981 zieht sie nach Venedig um, wo sie zunächst als Dozentin für englische Literatur tätig ist, bevor sie sich ganz der Kriminalliteratur verschreibt. Mit dem ruhigen und scharfsinnigen, aber auch leicht melancholischen Familienvater und Feinschmecker Brunetti schafft Leon eine Figur, die den Krimi-Zeitgeist trifft - und die ihren eigenen Vorstellungen eines Partners entspricht: "Ich wollte jemanden, mit dem ich gerne zusammenleben würde."
"Ich habe viele umgebracht", sagt Leon. "Ich bin sicher, es sind mindestens 20". Verteilt sind diese Leichen auf nunmehr 15 Romane, die alle in Venedig - einer Stadt mit sehr geringer Verbrechensquote - spielen und Brunetti als Hauptfigur haben. Leons Bücher stürmen die Bestsellerlisten und werden in 20 Sprachen übersetzt - außer ins Italienische. "Ich möchte nicht an einem Ort leben, wo ich eine Berühmtheit bin", sagt Leon. In Ruhe in Venedigs Gassen ihren allmorgendlichen Cappuccino zu trinken ist der Autorin wichtiger.
Klick