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7. December 2007, 21:07   #120
Ben-99
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... hier noch ein paar Reaktionen auf die neueste Medien-Kampagne des Kampusch-Clans.

Gruß Ben

Zitat:
Ein guter PR-Gag ist es allemal. (...) Natascha Kampusch soll eine eigene TV-Show bekommen. Von einem Sender, den es noch gar nicht gibt und der allein durch diese Ankündigung ziemlich bekannt werden dürfte: Puls 4 heißt der Fernsehkanal, der von Februar an "Österreichs viertes Vollprogramm" sein will und vom Eigentümer Pro Sieben Sat 1 auf den bisher auf Wien beschränkten Stadtsender Puls aufgepropft wird.

Dessen Chef schwört Stein und Bein, die 19-Jährige habe von sich aus mit dem Wunsch einer Interview-Sendung bei ihm angeklopft. (...) Als Gesprächspartner für ihre erste TV-Sendung wünscht sich Kampusch keinen geringeren als Österreichs ersten Mann im Staat, Bundespräsident Heinz Fischer.

''Sie hat sich sehr gut angestellt''
Zitat:
Die Sache wäre an sich weiter nicht spektakulär. Auf Puls TV, einem Sender ohne übertriebene finanzielle Grundausstattung, ohne Filmpakete oder Sportrechte, gibt es eine Unzahl von Talkshows, Gesprächsrunden und Interviewsendungen, die von jungen Moderatoren betreut werden, in einer 24- Stunden-Schleife laufen und Quoten knapp oberhalb der Wahrnehmungsschwelle einfahren. Das Besondere ist freilich Natascha Kampusch. Sie ist bekannter als alle anderen Puls-TV-Moderatoren zusammen, denn sie ist die Frau, deren Schicksal nach ihrer spektakulären Flucht vor 16 Monaten die ganze Welt bewegte – für Puls TV ist ihre Verpflichtung also ein enormer Marketingerfolg.

(...)

Im vergangenen Jahr war sie, angeleitet von einem Stab von PR-Beratern und Rechtsanwälten, durch die österreichischen Medien gewandert, hatte Interviews nach strengen Auswahlkriterien und nach Vorlage der Fragen gegeben. (...) Echt, mit anderen Worten ungeschminkt, war Kampusch dabei selten in den Interviews zu sehen – denn jede ihrer Formulierungen war dabei von ihrem PR-Stab vorbereitet worden. Wenn man so will, haben im vergangenen Jahr viele Experten versucht, das richtige Bild von Kampusch in der Öffentlichkeit zu prägen – so eine Art Paris Hilton, nur auf anständig.

"Ich will aus der passiven Rolle heraustreten"
Zitat:
Die schier unendliche Omnipräsenz von Natascha Kampusch will nicht enden. Geht es nach den Plänen eines österreichischen Privatsenders, soll das erfüllte Entführungsopfer ab Februar 2008 mit imposanten Gästen, unter anderem Bundespräsident Heinz Fischer, talken.

(...)

"Ich will frei sprechen" dachte sich im Februar 2007 auch eine 16 jährige Kärntnerin, mutmaßliches Opfer sexuellen Missbrauchs, in der Gewalt von Jugendamt und Gericht. Über Wochen festgehalten in einer psychiatrischen Kinderabteilung, als 11 jährige wohlbemerkt. Unter Ausschluss der Öffentlichkeit, ohne Kameras und Scheinwerferlicht, dennoch unter dem Argusauge des Kinderpsychiaters Prof. Max Friedrich, nur auf eine Aussage fixiert.

Während die eine durchaus freie Wortwahl finden darf, kann die andere nur davon träumen. Geknebelt mit gesetzwidriger Deutlichkeit, gepeinigt in einer Runde von apathisch wirkenden Mitgefangenen, blieb der einst 11 jährigen nur ein Weg nach draußen. Eine Aussage, welche nicht nur ihr eigenes Leben auf immer verändern sollte. Die Familie zerstört, der Stiefvater vom Volk geächtet, und gesprochen hat die Gerichtsbarkeit im Namen der Gerechtigkeit.

Geblieben ist der einstigen Gymnasiastin nur ein Blick zurück - in die heile Familienwelt. Gerne hätte auch sie den Ruhm für ihre Tapferkeit kassiert, fernab vom Kampusch Fieber. Wie unterschiedlich Kinder sein können, ist auch ihre Wertschätzung in der Gesellschaft. Trotz Marktschreier, die sich in Personalunion von Ex-Kindopfern wiederfinden, sucht das Kärntner Dirndl noch immer nach dem Freien Wort, wenn gleich ohne Patronanz des juridischen Schattens.

(...)

Zwei Kinder, Zwei Geschichten, Zwei Ansichten. Der Justizapparat dürfte in jedem Fall versagt, der Verurteilte im letzteren Fall durch sein akribisches verifizieren aufgezeigt haben, wie inkriminierend unser Rechtsstaat mit ungenügenden Sachbeweisen agieren kann, um nach Jahren ein rechtskräftiges Urteil im Namen des Volkes verkünden zu können.

Trotz Kampusch Fieber wagt nur ein Richter den Gang zur Anklagebank, zum Antritt des Wahrheitsbeweises. Der Täter selbst hat sich selbst gerichtet, die eifrigen Ermittlungsbehörden längst aufgehört nach tatsächlichen Sachbeweisen zu suchen.

Österreich im Kampusch Fieber