Im Jahr 1966 erobert ein Schlager mit dem Titel "Il Ragazzo Della Via Gluck" die italienischen Charts. Die traurige Ballade erzählt von einem Jungen, der aus der ländlichen Idylle in die unwirtliche Großstadt ziehen muss, um später als reicher Mann zurückzukehren. Aber das Paradies der Kindheit ist verschwunden. Wo einst grüne Wiesen waren, erstreckt sich jetzt eine Wüste aus Beton.
Gesungen wird das Lied vom damals 28-jährigen Adriano Celentano, der am 6. Januar 1938 als Sohn eines armen Uhrmachers in der Via Gluck im noch beschaulichen Mailand geboren wird. "Das Schöne ist die Via Gluck", wird der Sänger später sagen. "Das Hässliche ist, wo ich jetzt wohne, im Zentrum Mailands, mit seinem Verkehr, seinen Straßenbahnen und ohne einen einzigen Baum". Die Vertreibung aus dem Kindheitsparadies wird Celentano, der mit 16 Jahren mit einer Jerry-Lewis-Parodie einen Talentwettbewerb gewinnt und 1960 in Federico Fellinis Film "La dolce vita" einen Rockstar spielt, das Trauma seines Lebens nennen. "Das Trauma bewirkte, dass ich in meinen Liedern immer die gleichen Themen behandle: Ich singe praktisch immer dasselbe Lied."
Celentanos immergleiches Lied handelt von der Liebe zur Natur und schönen Frauen, vom Feiern auf den Wiesen und von der Zerstörung der natürlichen Schönheit durch Bagger, Umweltverschmutzung und Korruption. Und es handelt davon, dass früher alles besser war - so wie in seinem größten Hit "Azzuro", den Paolo Conte ihm 1968 schreibt. Nebenbei spielt Celentano in mittelmäßigen Komödien wie "Der gezähmte Widerspenstige" oder "Gib dem Affen Zucker". Seine Ideen präsentiert er auch in der samstäglichen Fernsehshow "Fantastico", für die er sich vom Sender RAI vertraglich "totale Autonomie" zusichern lässt. Seine großen Sprachschnitzer verzeiht ihm das Millionenpublikum dabei ebenso wie den fehlenden roten Faden.
1985 fordert Celentano seine Zuschauer auf, für fünf Minuten den Fernseher auszuschalten, um damit gegen den Krieg zu protestieren und das Friedensabkommen zwischen Michail Gorbatschow und Ronald Reagan zu würdigen. 13 Millionen Menschen kommen seiner Forderung nach - von der Bewegung des "Celentanismo" ist die Rede, die laut seinen Kritikern auch Celentanos Gegner Silvio Berlusconi eindrücklich aufzeigt, wie stark man die Masse im Fernsehen für seine Zwecke manipulieren kann.
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