1946 hat Winston Churchill einen ungeheuerlichen Traum. Gerade noch haben sich die Nationen bis aufs Blut bekämpft, da will der britische Politiker die "Vereinigten Staaten von Europa" schaffen. Ausgerechnet Kriegsverlierer Deutschland soll dabei gemeinsam mit dem ehemaligen Erzfeind Frankreich die Führung übernehmen. Am 7. Januar 1958 ist es so weit: Der deutsche Politiker Walter Hallstein wird erster Präsident der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWG), die durch die Römischen Verträge ein gutes halbes Jahr zuvor von Belgien, Frankreich, Italien, Luxemburg, die Niederlande und Deutschland gegründet worden ist. Ab jetzt, sagt Hallstein, müsse Europa "mit einer Stimme reden".
Zur Politik kommt Hallstein über Umwege. 1901 in Mainz geboren, zieht es den studierten Juristen zunächst an die Universität. Mit 28 Jahren wird Hallstein ordentlicher Professor in Rostock. Nach dem Zweiten Weltkrieg arbeitet er am Wiederaufbau der heimischen Hochschullandschaft und an der Aufnahmen Deutschlands in die UNESCO. Konrad Adenauer schickt den Professor zu Verhandlungen nach Paris, wo auf europäischer Ebene der Montanindustrie wieder auf die Beine geholfen werden soll. An den Verhandlungen zur europäischen Atomgemeinschaft ist er ebenso beteiligt wie an den Römische Verträgen, deren Einhaltung durch eine Kommission in Brüssel überwacht werden soll. Als Präsident dieser Kommission wird Hallstein 1958 oberster Hüter über die gemeinsame Wirtschaftspolitik der Unterzeichnerstaaten.
Aber nicht alle wollen mit Hallstein zusammen mit einer Stimme reden. Vor allem Charles de Gaulle, der 1959 französischer Staatspräsident wird und von einen Staatenbund souveräner Länder träumt, stellt sich immer wieder quer zu Brüssel. 1965 verlassen die Franzosen aus Protest gegen den Verlauf der Gespräche zu einer gemeinsamen Agrarpolitik demonstrativ den Raum. Monatelang blockieren sie durch ihre Abwesenheit die Entscheidungen der Hallstein-Kommission: ein klarer Verstoß gegen die Spielregeln der europäischen Politik. De Gaulle ist es auch, der Hallsteins Abgang vorantreibt. Als 1967 die europäischen Gemeinschaften für Kohle und Stahl sowie für Atompolitik mit der EWG fusionieren, muss der Deutsche gehen. Er stirbt 1982 in Stuttgart.
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