In der Erwachsenenwelt langweilt sich Alice fast zu Tode. Da hoppelt ihr ein weißes Kaninchen mit Taschenuhr über den Weg. Das Mädchen folgt dem Tier in seinen Bau - und findet sich plötzlich auf der anderen Seite des Wunderlands wieder. In der traumhaft verrückten Welt des Kinderbuchklassikers "Alice im Wunderland" (1865), in der die Heldin mal größer, mal kleiner wird und auf so seltsame Wesen wie die Grinsekatze, Croquet spielende Spielkarten und einen irren Hutmacher trifft, verliert sie ihr eigenes Ich immer mehr aus dem Blick. "Wer bist du?", wird Alice einmal von einer Raupe mit Wasserpfeife gefragt. "Das weiß ich im Moment gar nicht so sicher, mein Herr", antwortet das Mädchen. "Ich bin doch gar nicht ich."
Auf der Suche nach seiner Bestimmung ist Zeit seines Lebens auch der britische Schriftsteller Lewis Caroll. Geboren wird der unsichere Linkshänder, der eigentlich Charles Lutwidge Dodgson heißt, als drittes von elf Geschwistern 1832 in Daresbury und wächst in der einsamen Welt eines Pfarrhauses in Mittelengland auf. Nach einem Studium an der Universität Oxford wird er zu einem der talentiertesten Mathematiker seiner Generation. In seinen damals schon erfolgreichen Geschichten von "Alice im Wunderland" und dem Nachfolgeband "Alice hinter den Spiegeln" (1881), die als Musterbeispiele der Nonsensliteratur Dadaisten und Surrealisten beeinflussen und deren absurde Dialoge ihre eigene Logik besitzen, versucht er, die mathematische Gesetzmäßigkeit der Realität aus den Angeln zu heben. 1951 wird zudem der Stoff von Walt Disney verfilmt.
Glücklich ist Carroll eigentlich nur in der Gemeinschaft junger Mädchen. Immer wieder sucht er ihre Nähe und hält ihre unschuldige Schönheit auf zahllosen Fotografien fest - wenn möglich nackt. Inspiriert zu seinen Alice-Büchern wird er während einer Bootsfahrt mit den drei Töchtern des Oxforder Dekans auf der Themse. Unter ihnen ist auch sein Liebling Alice Liddell, die Carroll bittet, die erzählten Geschichten aufzuschreiben. Seinen vielen kleinen Freundinnen schreibt Carroll unzählige skurrile Briefe - so lange zumindest, bis die besorgten Mütter ihm den Kontakt verbieten. Zurückgezogen und einsam stirbt der Autor am 14. Januar 1898 an den Folgen einer Bronchitis im englischen Guildfort.
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