Die Wohnung von Charles Frederik Worth in der Rue de la Paix 7 in Paris ist mit neugierigen Damen angefüllt. Was sie an diesem 12. Februar 1858 erwarten, ist eine Sensation. Während bisher der "letzte Schrei" an tristen Puppen aus Holz und Weide hing, lässt der findige Schneider seine Kollektion erstmals von lebenden Models präsentieren. Worth versteht die Mannequins als "Doppelgängerinnen" seiner potentiellen Kundschaft, die Wohnung ist ebenso luxuriös eingerichtet wie die Gemächer seiner Klientel: Die Frauen sollen in einen lebendigen Spiegel schauen, der ihnen zeigt, wie sie selbst in ihrer natürlichen Umgebung in der Kreation des Meisters wirken. Es ist die erste Modenschau der Welt.
Worth wird 1825 im englischen Bourne geboren. Nach einer Lehre als Stoffverkäufer in London wandert er 1845 nach Paris aus. Mit Seidenkleidern, die er für seine Frau entwirft, erregt er auf den Boulevards erste Aufmerksamkeit. Seine Frau ist es auch, die bei der Weltausstellung in Paris 1855 einen frei von den Schultern herab hängenden Mantel präsentiert. Um seine exklusive Kleidung zu den Höfen Europas zu tragen, verfällt Worth auf einen genialen Trick: Er schlägt der Gattin des österreichischen Botschafters vor, sie kostenlos einzukleiden. Von nun stehen seine pompösen Abendgarderoben mit ihren Rüschen und Pailetten bei Staatsbanketten und Empfängen im Mittelpunkt. Worth avanciert zum Hoflieferanten von Kaiserin Eugénie, der Frau Napoleons III. Schließlich wird auch Kaiserin Sissi seine Kundin. Nun kann Worth es sich leisten, bürgerliche Kundinnen aus aller Welt, die vor seinem Geschäft Schlange stehen, an der Eingangstür abzuweisen. Wer durch seine Kleider geadelt wird, bestimmt er selbst.
Nach 1858 schafft es Worth, seine Modenschauen zu gesellschaftlichen Events zu machen. In seiner Firma beschäftigt er 1870 über 1.200 Näherinnen, die jede Woche mehrere Kleider herstellen - exklusiv und sündhaft teuer. Auf vier Modenschauen im Jahr bringt es das fleißige Schneiderlein am Ende - die Frauen, die zuvor mit Hilfe ihrer Näherin und eines Stoffhändlers für ihre Garderobe selbst verantwortlich waren, geben sich nun ganz in seine Hände. Worth wird damit zum Erfinder der Haute Couture. Er stirbt 1895 in Paris.
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