Die französische Küche wird von Paul Bocuse revolutioniert. Die junge Bundesrepublik hat Clemens Wilmenrod. Zwischen der Nouvelle Cuisine des Drei-Sterne-Kochs und den abenteuerlichen Kreationen des molligen Bonvivants liegen kulinarische Welten. Doch Clemens Wilmenrod, Deutschlands erster TV-Koch, prägt die Essgewohnheiten der Bundesbürger ebenso nachhaltig wie Bocuse später die seiner Landsleute. Gerade mal acht Wochen ist das deutsche Fernsehen alt, als der kompakte Herr mit ausufernder Halbglatze und feinem Menjou-Bärtchen seine Zuschauer mit einem aufgekratzten "Ihr lieben goldigen Menschen" begrüßt.
"Bitte in zehn Minuten zu Tisch" heißt es am 20. Februar 1953 zum ersten Mal. In seinem "Kochkurs für eilige Feinschmecker" kredenzt Clemens Wilmenrod der noch überschaubaren Zahl an Fernsehteilnehmern um 21.30 Uhr ein denkwürdiges Menü: Fruchtsaft im Glas, italienisches Omelett, Kalbsniere gebraten mit Konservenmischgemüse; zum Abschluss Mokka. Zu Hilfe kommen ihm dabei seine Ehefrau Erika sowie ein "vollelektrischer Schnellbrater" namens Heinzelkoch, der fortan sogar im Abspann genannt wird. Dass der erste TV-Koch der Republik, auf dessen Schürze stets die Karikatur seines eigenen Charakterkopfes prangt, eigentlich gar kein Koch ist, sondern ein Provinz-Schauspieler ohne Fortüne, wird seinem Erfolg nicht im Wege stehen.
Carl Clemens Hahn, 1906 im Westerwald-Örtchen Willmenrod geboren, findet als Urahn von Alfredissimo, Lafer und Co. die Rolle seines Lebens. Als in der Bundesrepublik die Fresswelle anrollt, wird der in Wilmenrod umgetaufte Westerwälder Wonneproppen ihr Prophet. Bei "Don Clemente" verwandelt sich eine Frikadelle in Arabisches Reiterfleisch und paniertes Schnitzel in Venezianischen Weihnachtsschmaus. Dass Koch-Profis angesichts seiner Fantasie-Menüs regelmäßig die Nasen rümpfen, stört den selbsternannten "Bundesfeinschmecker" überhaupt nicht. Elf Jahre lang genießt Clemens Wilmenrod auf dem Bildschirm Narrenfreiheit. Produkte, die er in seiner Sendung anpreist, werden am nächsten Tag in den Läden aus den Regalen gerissen. 1964, nach 185 Sendungen, wird der Erfinder des Hawaii-Toasts von seinem Haussender NDR abserviert. Drei Jahre später, am 12. April 1967, setzt der an Krebs erkrankte Clemens Wilmenrod seinem Leben mit einer Pistolenkugel ein Ende.
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