Geld schießt keine Tore? Schön wär's ja, doch ein Blick in die Tabellen von Europas Top-Fußballligen beweist das Gegenteil. Auch in der Bundesliga stehen am Ende der Saison regelmäßig jene Klubs ganz oben, die über die dicksten Etats verfügen können. Jahrzehnte hat der Deutsche Fußballbund (DFB) versucht, am Ideal des sauberen Amateursports festzuhalten. Selbst nach Einführung der Bundesliga 1963 bleiben die Gehälter der Profis auf heute lächerlich wirkende Summen begrenzt. Die Vereine verdienen ausschließlich an Eintrittsgeldern und, ab 1965, auch an den fortan immer teurer werdenden Übertragungsrechten. Den endgültigen Durchbruch zur totalen Kommerzialisierung des Fußballs bringt Anfang der 70er Jahre ein Spirituosenfabrikant aus Wolfenbüttel bei Braunschweig ins Rollen.
Für Günter Mast, Hersteller des Kräuterlikörs "Jägermeister", gehört Klappern zum Handwerk, je lauter desto besser. Als die ARD eine Länderspiel-Übertragung wegen zuviel Werbung absagen will, bucht Mast für 200.000 D-Mark sämtliche Seitenbanden - und lässt sie weiß. Die Aktion bringt Jägermeister europaweit in die Schlagzeilen. Zusammen mit dem Präsidenten des hoch verschuldeten Bundesligisten Eintracht Braunschweig plant der Likörfabrikant einen Coup, der zur Revolution im deutschen Profifußball führt. Dem DFB in Frankfurt wird mitgeteilt, dass der Löwe im Wappen der Eintracht seinen Platz für einen Hirschen räumt. "Weil die nicht wussten, dass der Hubertus-Hirsch das Wahrzeichen meiner Firma Jägermeister war", kann Mast den DFB-Oberen einen Bären aufbinden: "Löwe oder Hirsch, das war den ahnungslosen Herren egal." Dass Jägermeister sich die Aktion pro Jahr 300.000 Mark kosten lässt, lässt Mast natürlich im Dunklen.
Am 27. Januar 1973 treten die Braunschweiger Spieler gegen Kickers Offenbach erstmals mit einem 18 Zentimeter großen Hirsch auf dem Trikot an. DFB-Chef Hermann Gösmann erkennt, dass er von Mast ausgetrickst worden ist und lässt den Werbe-Hirsch prompt verbieten. Der folgende Kleinkrieg zwischen Eintracht Braunschweig und dem mächtigen Fußball-Verband beschert dem kampflustigen Likörfabrikanten erneut eine unbezahlbare Medienpräsenz. Per Einstweiliger Verfügung und mit einem leicht geschrumpften Wappentier zwingt Mast die DFB-Bosse schließlich in die Knie. Am 28. Februar 1973 genehmigen sie das erste Trikot-Sponsoring in der Bundesliga. Sechs Jahre später haben bereits alle Erstligavereine ihre Trikotflächen zu Werbezwecken freigegeben - für insgesamt sieben Millionen Mark. Heute geben Sponsoren zusammen das 40-fache, nämlich 130 Millionen Euro für ihre kickenden Litfasssäulen aus. Die meisten Vereine sind als Kapitalgesellschaften organisiert; aus dem Fußballspiel ist ein Produkt geworden. Aber zum Glück immer noch ein unkalkulierbares.
Klick