Grace Kelly macht sich Sorgen. Soeben hat ihr Gary Cooper alias Will Kane verkündet, dass er sich als Marshall mit einem Banditen duellieren will, der mit dem Zwölfuhrzug kommen soll und sich an ihm rächen will. "Du verlangst von mir zu warten, bis sich herausstellt, ob ich deine Frau bin oder deine Witwe?", sagt Kelly in Fred Zinnemanns Westernklassiker "High Noon" (1952) erbost. "Mir ist die Wartezeit zu lang. Entweder kommst du mit mir oder ich werde mit dem Mittagszug weiterfahren!"
Aber wann ist eigentlich Mittag? Und wann kommt der Zwölfuhrzug vorbei? Weltweit richtet sich die Uhrzeit bis ins 19. Jahrhundert hinein nach dem Sonnenstand - und der ist an jedem Ort des Globus verschieden. Als der Wilde Westen mit der Eisenbahn erschlossen wird, zeigen die amerikanischen Uhren 71 verschiedene Zeiten an. In der alten Welt ist das nicht anders. Da die verschiedenen Eisenbahngesellschaften die Ortszeit ihres Unternehmens quer über den Kontinent mitnehmen, kommt es vor, dass am selben Bahnhof ein Zug nach Prager Zeit abfährt, der andere nach Pariser Zeit und der nächste nach dem Uhrenstand in Karlsruhe. Kluge Weltenbummler haben deshalb immer gleich mehrere, unterschiedlich gestellte Reisewecker im Gepäck.
In Amerika reagiert man auf den Missstand am schnellsten. 1873 beschließt die US-Regierung, das Land in vier Zeitzonen zu unterteilen. Grundlage ist die Idee, die Uhren nicht mehr nach dem Sonnenstand zu stellen, sondern im Bereich zwischen zwei geographischen Längen mit einem Abstand von 15 Grad jeweils gleich ticken zu lassen. Am 12. März 1893 beschließt auch der deutsche Reichstag, sich der Mitteleuropäischen Zeitzone (MEZ) anzuschließen, die von Spanien bis Polen reicht. Seitdem sind Bahnreisende hierzulande nur noch irritiert, wenn der Zug Verspätung hat.
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