... ich halte es für unzulässig, die von mir kritisierte Schwarzweißmalerei in bezug auf den China-Tibet-Konflikt mit meiner rigorosen ablehnenden Haltung gegenüber George Bush zu vergleichen, dessen Argumente für den Überfall auf den Irak sich inzwischen allesamt als schäbige Lügen herausgestellt haben. Was er dort veranstalten ließ, ist ein so abscheuliches Verbrechen, daß es inzwischen überhaupt nicht mehr darauf ankommt, ob das Land vorher von einem Friedensengel oder einem Diktator wie Saddam regiert wurde.
Oder käme es etwa jemandem von uns in den Sinn, Verständnis für die "Endlösung der Judenfrage" zu zeigen, nur weil unter den Millionen, die Hitler ermorden ließ, vielleicht auch ein paar waren, die in der Zeit vor 1933 gegenüber ihren nichtjüdischen deutschen Mitbürgern eine Spur zu überheblich auftraten? Nein. Denn für solche Verbrechen gibt es keine Entschuldigung und somit bei der historischen Bewertung auch keinen Graubereich zwischen Schwarz und Weiß.
Beim Reizthema "China" ist das jedoch anders. Wobei ich wohl nicht erst betonen muß, daß auch ich wie die meisten von uns die dortige Bespitzelung und Unterdrückung der Bürger aufs schärfste kritisiere. Und doch ist in China seit Jahren ein Wandel spürbar, den man nicht einfach ignorieren kann. Dasselbe gilt für die einseitige Berichterstattung in den westlichen Medien. Deshalb habe ich auf Niggemeiers Beitrag hingewiesen. Es ist übrigens kein Kommentar von ihm, dem man applaudieren könnte oder sollte, wie hier behauptet wurde, sondern eine nüchterne Zusammenstellung von Fakten, die jedoch den Liebhabern holzschnittartiger Schwarzweißbilder offenbar nicht in den Kram passen, sonst wären sie ja darauf eingegangen. Und genau das hatte ich in meinem Beitrag letzte Nacht kritisiert.
Noch einmal: Es geht mir um die heuchlerische Art, wie wir mit dem Finger auf Länder zeigen, die nicht zu unseren Verbündeten gehören, während wir gleichzeitig die Verbrechen, zum Beispiel eines amerikanischen Präsidenten, auf äußerst bedenkliche Art verharmlosen, indem man endlos darüber palavert, ob die Tötung Hunderttausender Zivilisten, Folter-Haft und die Vertreibung von Millionen Menschen im Irak, "richtig" oder "falsch" war. Außerdem ist es verlogen, sich über ein Land wie China zu empören, zu dem wir andererseits seit Jahren außerordentlich lukrative Handelsbeziehungen pflegen.
Selbstverständlich waren die Krawalle der Tibeter minutiös geplant und generalstabsmäßig organisiert und sollten kurz vor den Spielen genau die Reaktionen auslösen, wie wir sie jetzt erleben, weil die Berichterstatter auch sonst gern über jedes Stöckchen springen, das ihnen hingehalten wird. Da spielt es auch keine Rolle, daß auf den von Touristen heimlich herausgeschmuggelten Videos eindeutig auch die Gewaltbereitschaft der Tibeter zu erkennen war.
Laßt die Chinesen die Spiele wie geplant veranstalten, und wir werden dann sehen, wie die dortigen Machthaber ihr Land präsentieren. Wenn die eingereisten Vertreter der Weltpresse durch Überwachung und Drehverbote tatsächlich einen Polizeistaat erleben, hätte sich China mit der Ausrichtung der olympischen Spiele einen Bärendienst erwiesen. Die negativen Auswirkungen auch auf die Export-Bilanz chinesischer Produkte würde zumindest den jetzigen Machthabern mehr schaden als die härtesten Anti-China-Kommentare in den wichtigsten Leitmedien der Welt.
Fragt sich nur, ob das auch für das chinesische Volk, also für die 1,3 Milliarden Einwohner, deren Wohl uns ja angeblich so sehr am Herzen liegt, in irgendeiner Weise hilfreich sein würde.
Gruß Ben
(der in diesem Beitrag noch nicht Sackis letztes Post berücksichtigt hat)
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