Schlagartig hohes Fieber, trockener Husten, extreme Atemnot - am 24. Februar 2003 wird der chinesische Geschäftsmann Jonny Chen in das French Hospital der vietnamesischen Hauptstadt Hanoi eingeliefert. Er ist gerade aus Hongkong eingetroffen und kann sich nicht mehr auf den Beinen halten. Der leitende Arzt Carlo Urbani erkennt, dass der Patient nicht unter einer normalen Lungenentzündung leidet. Der italienische Spezialist für Infektionskrankheiten reagiert umgehend und warnt die Weltgesundheitsorganisation WHO. Tage später leiden auch Mitarbeiter des French Hospital unter den gleichen Symptomen. Urbani lässt die Klinik schließen. Seine Ehefrau beschwört den dreifachen Vater, sich einmal im Leben zu schonen. Aber das kommt für ihn nicht in Frage: "Wenn ich nicht in dieser Situation meine Arbeit tue, was soll ich dann hier? Auf einen Sektempfang gehen?" Seine Berufsauffassung lautet: "Nah bei den Opfern sein." Deshalb arbeitete er lange Zeit für "Ärzte ohne Grenzen" und war dabei, als die Hilfsorganisation 1999 den Friedensnobelpreis erhielt.
Urbani muss mit ansehen, wie seine Patienten sterben, ohne dass eines der gängigen Medikamente hilft. Auf einem Flug nach Bangkok entwickelt er selbst die ersten Symptome. 14 Tage kämpfen die Ärzte um sein Leben - vergeblich. Am 29. März 2003 stirbt der 46-Jährige. Seine Lunge, zersetzt von Viren und voller Flüssigkeit, transportiert keinen Sauerstoff mehr. Nach dem vierten Herzinfarkt stoppen die Ärzte die Reanimation. Das Virus hat sich in der Zwischenzeit mit Hochgeschwindigkeit über den Globus ausgebreitet. Binnen kurzer Zeit sind Menschen in 19 Ländern erkrankt. Bereits am 12. März 2003 hat die WHO daher erstmals in ihrer Geschichte eine weltweit geltende Warnung herausgegeben. SARS, das Schwere Akute Respiratorische Syndrom, gilt nun als Bedrohung für jedermann.
Die WHO sucht nach Ursprung und Eigenschaften des Virus. Eine Spur führt in die südchinesische Provinz Guangdong. Von den Behörden verschwiegen hatte sich SARS dort bereits Ende 2002 ausgebreitet. Angesteckt hatte sich auch Medizinprofessor Lung, der während eines Aufenthalts in Hongkong erkrankte - und im gleichen Hotel wohnte wie Jonny Chen und eine Frau, die SARS später nach Toronto einschleppte. Der Ursprungsherd Guangdong, eine bäuerliche Provinz, in der Mensch und Tier sehr eng zusammen leben, nährt einen weiteren Verdacht. "Wir haben schon sehr früh geahnt, dass es um eine Zoonose geht, um eine Krankheit, deren Erreger im Tierreich sitzt und nur zufällig auf den Menschen als Fehlwirt gewechselt ist", erklärt der Hamburger Virologe Professor Christian Drosten. Offenbar verlief der Weg von Fledermäusen über eine Schleichkatzenart. Beide Tierarten werden in China gegessen. Dieser Wirtswechsel macht das Virus zu einem unbekannten Eindringling für das menschliche Immunsystem. Ein weltweites Netzwerk der besten Labore versucht daher, die Genstruktur des Virus zu enträtseln, um einen Impfstoff zu gewinnen. Bereits nach vier Wochen ist das Virus entschlüsselt. Rund sechs Monate nach dem Ausbruch gilt SARS als besiegt. In dieser Zeit sind rund 8.000 Menschen erkrankt und fast 800 davon gestorben.
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