Zechen, Stahlwerke, Handelskontore, Schifffahrtsgesellschaften - zu Beginn des 20. Jahrhunderts ist Hugo Stinnes einer der mächtigsten Industriellen in Europa. 300.000 Arbeiter bezeichnen ihn respektvoll als ihren "Prinzipal". Im April 1924 stirbt er auf dem Höhepunkt seiner Macht an den Folgen eines Gallenleidens. Sein Tod trifft die Familie völlig unvorbereitet. Keines der sieben Kinder ist älter als 25 Jahre und als Nachfolger aufgebaut. Witwe Claire Stinnes-Wagenknecht bestimmt den Ältesten, Hugo junior, zum Firmenchef - obwohl ihr dritter Sohn Otto ihr näher steht. Dieser wurde am 7. April 1903 am Stinnes-Sitz in Mülheim an der Ruhr geboren. Nach dem Realgymnasium studierte er Chemie in München und Berlin. Ende 1924 besteht er das Examen als Diplom-Ingenieur. Noch im gleichen Jahr tritt er als Prokurist in die Firma ein.
Immer wieder geraten die beiden Brüder Hugo und Otto aneinander. Zu unterschiedlich sind ihre unternehmerischen Vorstellungen: Hugo wollte schnell expandieren, erzählt Mathias Stinnes, ein Ur-Enkel des "großen Hugo", der heute in Mecklenburg lebt. Otto hingegen habe das Ziel gehabt, langsam zu wachsen. "Darüber sind die beiden in einen ziemlich engen Konflikt gekommen." Anfang der 50er Jahre kommt es zum Bruch. Zu diesem Zeitpunkt gibt es in Deutschland drei Firmengruppen mit dem Namen Stinnes, die völlig unabhängig voneinander sind.
Dennoch werden sie in der Geschäftswelt als Einheit behandelt: Als Hugo, der Risikofreudigere, im Herbst 1963 wirtschaftlich in Schwierigkeiten gerät, zieht er die Firmen seines Widersachers Otto mit in den Strudel. Im Oktober des selben Jahres muss dieser wegen Zahlungsschwierigkeiten einen Teil seiner Firmen aufgeben. Mit 62 Jahren fängt Otto noch einmal neu an. Wieder gehören zu seinen Beteiligungen Schiffslinien und Handelshäuser. Neu dazu kommt die Entsorgungsbranche. 1982 übernimmt Mathias Stinnes diese Familienfirma von seinem Großonkel Otto - ein Jahr bevor dieser am 6. Mai 1983 in Hamburg stirbt. Ihre frühere Bedeutung erreicht die Stinnes-Dynastie nicht mehr. Eine Gründung von der Größenordnung des Stromkonzerns RWE, an der Gründervater Hugo Stinnes 1898 beteiligt war, bleibt aus. Seine Nachfahren haben das Imperium nicht zusammenhalten können.
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