Ein trostloseres Kaff als Las Piedras ist kaum vorstellbar. Ein Nest voller gestrandeter Randexistenzen am Rande der venezolanischen Zivilisation. Ein menschliches Ersatzteillager für den amerikanischen Öl-Konzern, der 500 Kilometer entfernt ein Bohrfeld betreibt. Als eine der Ölquellen in Brand gerät, bietet sich vier zu allem entschlossenen Männern die Chance, endlich so viel Geld zu verdienen, um aus Las Piedras entkommen zu können. Für 1.000 Dollar pro Mann sollen sie Nitroglyzerin zur Unglücksstelle transportieren, um das Feuer auszublasen. Zur Verfügung stehen dafür nur ungenügend ausgerüstete Lastwagen; die Reise durch das mittelamerikanische Irgendwo führt über eigentlich nicht vorhandene Straßen. Ein Himmelfahrtskommando also, mit denkbar geringen Überlebenschancen.
Die ganze erste Stunde seines finsteren Thrillers "Lohn der Angst" (Le salaire de la peur) nimmt sich Regisseur Henri-Georges Clouzot Zeit, die Protagonisten Mario (Yves Montand) und Jo (Charles Vanel), Bimba (Peter van Eyck) und Luigi (Folco Lulli) präzise zu charakterisieren. Als sich das Quartett dann in zwei mit Nitroglyzerin vollgepackten Trucks unter Sirenengeheul auf den Weg macht, ist man mit den vermeintlichen Stärken und Schwächen der vier bestens vertraut. Umso mehr gehen die Wandlungen und Todesängste unter die Haut, die sie auf ihrer grauenhaften Reise durchmachen. Umso mehr presst es den Zuschauer in den Kinosessel, wenn Bimba und Luigi mit ihrem Truck in die Luft fliegen, wenn Mario seinen Kumpan Jo überfahren muss, um nicht in einem Ölsee stecken zu bleiben. Voller Erleichterung gönnt man dem pfiffigen Mario als einzigem Überlebenden seinen Lohn der Angst.
Und eiskalt ist das Entsetzen, wenn der sympathische Yves Montand schließlich mit den Taschen voller Geld zu Walzerklängen in den Abgrund rast. Kein Film Noir ist schwärzer und desillusionierender als dieser Abenteuer-Klassiker, der am 22. April 1953 in Frankreich seine Uraufführung erlebt. Beim Festival von Cannes wird "Lohn der Angst" mit dem großen Preis ausgezeichnet. "Ich habe gerade einen genialen Fußtritt in den Magen bekommen", stöhnt Jury-Präsident Edward G. Robinson nach der Vorstellung. Für Hauptdarsteller Yves Montand, der bereits als Sänger Karriere gemacht hat, beginnt mit diesem Fußtritt der Aufstieg zum international populärsten Leinwandstar aus Frankreich. In Berlin erhält "Lohn der Angst" den Goldenen Bären. Zu sehen bekommen die Deutschen den Film allerdings in einer gesäuberten Version. Die Synchronfassung unterschlägt alles, was die Bosse der US-Ölfirma als skrupellose Ausbeuter charakterisiert. Acht Jahre nach Kriegsende darf das Ansehen der amerikanischen Freunde in der Bundesrepublik keinen Schaden nehmen.
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