Stellen Sie sich vor, es ist Fußball-Weltmeisterschaft und Brasilien gilt nicht als Mitfavorit. Gibt's nicht, sagen Sie? Stimmt; zumindest seit 1958 hat es das nicht gegeben. Wann immer in den vergangenen 50 Jahren um den WM-Titel gespielt wird, zählen die brasilianischen Ball-Zauberer zu den ganz heißen Anwärtern. Immerhin fünf Mal, so oft wie keine andere Nation, kehren sie als Sieger zurück. Und dazwischen, so sehen es jedenfalls die Brasilianer selbst, haben nur höhere Schicksalsmächte, aber keinesfalls eigene Schwächen verhindert, dass das eigentlich Selbstverständliche auf dem Rasen auch Realität wird. In der ewigen WM-Rangliste jedenfalls steht Brasilen noch auf Jahre hinaus uneinholbar an der Spitze - gefolgt von Deutschland und Italien. Begonnen hat das Fußball-Märchen von der unbesiegbaren Seleção in Schweden, im Rasunda-Stadion von Stockholm.
Am 29. Juni 1958 steht Brasilien dort erstmals in einem Weltmeisterschaftsfinale. Gegner und krasser Außenseiter ist Gastgeber Schweden. Das Team der Südamerikaner ist gespickt mit Stars, der jüngste von ihnen wird Jahrzehnte später "Welt-Fußballer des Jahrhunderts" sein. Im Finale von Stockholm geht der Stern des 17-jährigen Edson Arantes do Nascimento auf, besser bekannt als Pelé. Zunächst aber sieht es schlecht aus für Brasilien, denn fünf Minuten nach dem Anpfiff schießt Lidholm den Führungstreffer für die Gastgeber. Prompt kommen schmachvolle Erinnerungen hoch an die dunkelste Stunde des brasilianischen Fußballs, als die Seleção 1950 den WM-Titel im überfüllten Maracana-Stadion von Rio de Janeiro ausgerechnet gegen Uruguay verspielte. Doch im Rasunda-Stadion währt die Schweden-Führung nur drei Minuten. Dann dreht die Wunder-Elf um Kapitän Bellini auf.
Der ungekrönte Dribbel-König Garrincha spielt die Schweden schwindelig und Pelé, der allein zwei Tore schießt, führt seinen Gegnern Tricks vor, die sie noch nie gesehen hatten. Fünf unhaltbare Treffer jagen die Brasilianer den Schweden schließlich ins Netz, das Spiel geht 5:2 aus. Mehr als einmal ist es im Stadion mucksmäuschenstill, weil die Zuschauer vor ungläubigem Erstaunen verstummen. "Fußball wie Jazz-Musik" steht anderntags in der Zeitung. Hauptdarsteller Pelé scheint den Ball wie einen Teil seines Körpers zu bewegen. "Er nimmt den Ball an, lässt ihn am Körper hochlaufen und wieder auf den Fuß fallen", schreibt ein Augenzeuge. "Er dreht sich, blufft den Angreifer, hebt den Ball wieder hoch - und diesmal fällt er auf den anderen Fuß. Ballzauber. Hexerei." Den WM-Titel in Stockholm gewinnt Pelé als bis heute jüngster Spieler aller Zeiten.
Im Jahr darauf schießt der Wunderknabe mit Schuhgröße 38 für den FC Santos 127 Tore in einer Saison. Als der bekannteste Fußballer der Welt 1977 im New Yorker Giants Stadium endgültig Abschied vom Rasen nimmt, wird das Spiel in 40 Länder der Welt übertragen.
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