Karlovy Vary (Karlsbad), Sommer 1968: DDR-Staatschef Walter Ulbricht wird von Alexander Dubček empfangen, dem seit Januar amtierenden Chef der Kommunistischen Partei der Tschechoslowakei. Dubček hat Reformen eingeleitet, die Meinungsfreiheit, Rechtsstaatlichkeit und Demokratie bringen sollen. Er will dem Sozialismus ein "menschliches Antlitz" geben. Ulbricht hingegen sieht dadurch die Errungenschaften des Sozialismus bedroht und fürchtet, dass Dubčeks Ideen Ansprüche bei der DDR-Bevölkerung wecken könnten. Nach dem Treffen am 12. August 1968 gibt es eine Pressekonferenz. Die Ausschnitte, die im DDR-Fernsehen zu sehen sind, lassen Dubček wie einen Statisten bei Ulbrichts Auftritt aussehen. Er darf ein paar Worte sagen: Die tschechoslowakische KP werde "alles unternehmen, für die Festigung der Beziehungen zwischen unseren sozialistischen Ländern, unserer marxistisch-leninistischen Parteien und werktätigen Völkern." Die gespannte Situation scheint sich beruhigt zu haben. Doch dieser Eindruck täuscht.
Bereits am 27. Juni 1968 haben in der Tschechoslowakei Intellektuelle und Künstler das "Manifest der 2000 Worte" veröffentlicht. Eine weitere Demokratisierung könne nur außerhalb der kommunistischen Partei erfolgen, heißt es darin. In Moskau bringt das Manifest das Fass zum Überlaufen. Noch in der Nacht telefoniert Leonid Breschnew, der Generalsekretär der KPdSU, mit Dubček und fordert von ihm ein sofortiges Eingreifen gegen die Konterrevolution. Doch Dubček gehorcht nicht. Daraufhin wird am 15. Juli 1968 ein Brief veröffentlicht, verfasst von den Zentralkomitees der Staatsparteien der Sowjetunion, Bulgariens, Ungarns, Polens und der DDR. Der Warschauer Pakt warnt vor der "Gefahr der Lostrennung der Tschechoslowakei von der sozialistischen Gemeinschaft": "Nach unserer Überzeugung ist eine Situation entstanden, in welcher die Bedrohung der Grundlagen des Sozialismus in der Tschechoslowakei die gemeinsamen Lebensinteressen der übrigen sozialistischen Länder gefährdet ist."
Tschechen und Slowaken machen sich Sorgen. Zwölf Jahre zuvor wurde der Ungarn-Aufstand blutig niedergeschlagen. Dubček beruhigt die Bevölkerung im August 1968: "Gestern sind wir von den neuen Unterredungen der Repräsentanten des ZK der KPdSU heimgekehrt." Dort sei ihm Unterstützung zugesagt worden. Doch es kommt anders. Truppen aus der Sowjetunion, Polen, Ungarn und Bulgarien marschieren in der Nacht zum 21. August 1968 in die Tschechoslowakei ein. Der "Prager Frühling", wie die Reformbestrebungen später genannt werden, ist zu Ende. Rund 100 Menschen werden getötet. Dubček bleibt noch ein Jahr lang Vorsitzender der Nationalversammlung. 1970 wird er aus der Kommunistischen Partei ausgeschlossen und verdient sein Geld als Waldarbeiter.
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