Ein "gebücktes, kränkliches Männchen" - so beschreibt Friedensnobelpreisträger Carl von Ossietzky 1909 den SPD-Führer August Bebel als 69-Jährigen: "Doch wie er zu sprechen beginnt, weicht dieser Eindruck von Hinfälligkeit, breite ausholende Gesten, [ ...] Kommandostimme, gewohnt, Hunderttausende in Gleichtakt zu bringen". Zwei Jahre später warnt Bebel im Reichstag vor einem europäischen Krieg: "Hinter diesem Kriege steht der Massenbankrott, steht das Massenelend, steht die Massenarbeitslosigkeit, die große Hungersnot." Bebel geht noch weiter. Über einen Freund wendet er sich an die britische Regierung: Aufrüsten soll sie, um die kriegslüsternen Deutschen in Schach zu halten. Bebel wird als Landesverräter kritisiert, doch er ist wohl eher Patriot: "Wenn wir in einen Krieg gezerrt werden sollten, in dem es sich um die Existenz Deutschlands handelt", ruft er im Reichstag, "dann sind wir bis zum letzten Mann bereit, die Flinte auf den Buckel zu nehmen und unseren Boden zu verteidigen."
Der Weg August Bebels zum sogenannten Arbeiterkaiser ist lang. Er wird am 22. Februar 1840 in Deutz bei Köln als Sohn eines preußischen Unteroffiziers in ärmliche Verhältnisse geboren. Nach dem frühen Tod seines Vaters muss er durch Heimarbeit zum Familienunterhalt beitragen. Bebel wird Drechsler. Als Redner und Organisator macht er sich in der Arbeiterbewegung rasch einen Namen. Er engagiert sich nicht nur gegen Imperialismus und Kriegstreiberei. Er setzt sich auch für die Gleichstellung der Frau ein. SPD-Mitglied Marie Juchacz, die erste Frau, die 1919 in einem deutschen Parlament sprechen darf, dankt ihm: "Es war der Sozialdemokrat August Bebel, der die soziale Stellung der Frau unter der Herrschaft des Kapitals aufzeigte." In seinem Bestseller "Die Frau und der Sozialismus" schreibt Bebel: "Die Frau der neuen Gesellschaft steht dem Manne als Freie, Gleiche gegenüber und ist Herrin ihrer Geschicke."
Für seine ständige Kritik am deutschen Kaiserreich muss Bebel insgesamt 57 Monate Haft absitzen. Zwischen 1878 und 1890 schränkt Reichskanzler Otto von Bismarck mit den Sozialistengesetzen die Rechte der linken "vaterlandslosen Gesellen" ein. Bebel schreibt in einem Brief an seine Frau: "Wir stehen moralisch bergehoch über denen, die uns heute schurigeln und kuranzen." Er nutzt jeden Gefängnisaufenthalt zur Weiterbildung. Die von ihm mitbegründete SPD wächst zur Massenpartei - und damit auch sein Einfluss auf die internationale Arbeiterbewegung. Das Ziel von Bebel ist die Beseitigung der bürgerlichen und die Gründung der sozialistischen Gesellschaft. Doch er ist kein Revolutionär, sondern ein Mann der Mitte, der unterschiedliche linke Strömungen in der SPD integrieren will. Bebel stirbt ein Jahr vor dem Ersten Weltkrieg: am 13. August 1913 im Schweizer Kurort Passugg an Herzversagen. Beerdigt wird er in Zürich.
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