Einzelnen Beitrag anzeigen
23. November 2001, 07:28   #1
Boomer
Ungültige E-Mail Angabe
 
Registriert seit: January 2001
Beiträge: 2.007
Ihr werdet es wohl kaum glauben...

...was bei mir gerade abläuft bzw. abgelaufen ist, doch es ist wirklich so.

Hallo zusammen,

wie vielleicht der eine oder andere weiß, ist mein Vater Mitte September verstorben. Wer nun glaubt, daß nach der Beerdigung Ruhe einkehrt, irrt. Und das möchte ich Euch erzählen.

Vor 2 Wochen erhielt ich ein Schreiben vom amerikanischen Generalkonsulat in Düsseldorf mit der Bitte, mich doch mal mit ihnen in Verbindung zu setzen. Das tat ich dann auch und war etwas verblüfft, daß das Konsulat bestürzt über den Tod meines Vaters war und etwas unglücklich über den Umstand, darüber so spät erfahren zu haben. Keiner wußte, daß man den Tod eines Amerikaners im Ausland auch dem Konsulat anzeigen muß, lediglich ein(e) Sachberabeiter(in) des Standesamtes hatte einen lichten Moment und hat dem Konsulat eine Mitteilung geschrieben.

Ich also letzten Dienstag hin und war über die laxe Situation mehr als verblüfft. Nein, es gab kein größeres Polizeiaufgebot vor der Botschaft, der im Hause befindliche Wachdienst passte auch gut zu Karstadt. Doch in der 10. Etage ging es dann los. Zuerst grinsten mich 2 Kameras an, als die Aufzugtür aufgeht, dann ein weiterer Wachmann, der allerdings nicht mehr zu Karstadt passte. Zuerst nahm er mir meinen Pilotenkoffer weg und schickte mich, nachdem ich alle Taschen leeren mußte, 2x durch einen Detektor. Dann durchwühlte er meinen Koffer, nahm mir Handy und Diktiergerät ab und schraubte meinen Kugelschreiber auseinander. Alles o.k., nach 10 Minuten Wartezeit hatte ich dann 2 Stunden Sitzung in der Botschaft. (in deutschen Behörden ist es genau umgekehrt)

Es ging durch eine zahlenschloßgesicherte Stahltür, gefolgt von einer mit einem Schlüssel zu öffnenden Stahltür und einer Tür, die nur mit einem Identifier zu öffnen war. (Prüfung, ob der, der Einlaß begehrt, überhaupt den Sektor der Botschaft betreten darf)

Dann war ich mit dem Typ endlich drin, habe aber vorsichthalber nochmal nachgesehen, ob ich auch wirklich in einer Botschaft oder in der EDV-Abteilung eines Großunternehmens gelandet war: es wimmelte nur so von Computern, Monitoren, Kameras, Fernschreibern, Druckern und Funkgeräten. Noch verwirrter war ich, als ich nirgendwo Besucherplätze vor den Schreibtischen (alle Türen waren offen, man konnte in jedes Büro sehen) entdeckte. Statt dessen besorgte mir der Typ einen Stuhl und einen Kaffee und bat mich, mit HINTER seinem Schreibtisch zu setzen. Wie selbstverständlich aktivierte er seinen PC und sah mich, der immer noch ziemlich perplex im Raum stand, auffordernd an.

Irgendwann saß ich dann neben ihm und er legte am PC los, nachdem er glücklich das Original der Einbürgerungsurkunde meines Vaters in Händen hielt, die wollte er nämlich zu allererst von mir haben. Er tippte dann ein paar Daten in ein online-Formular und wollte dann von mir die Sozialversicherungs-Nr. haben, die so genannte Social Security No. (SSA) Woher nehmen, wenn nicht stehlen und so sahen wir die gesamten (?, später dazu mehr) Unterlagen meines Vaters durch, wurden aber nicht fündig. Also schaute der Typ in eine Datenbank, Fehlanzeige. Dann ging er mit mir in ein anderes Büro an einen anderen PC und dann per Direktverbindung in eine Datenbank nach Washington, wieder Fehlanzeige. Dann schickte er mich zurück in sein Büro, weil er an einem anderen PC nachsehen wollte, in diesen Teil der Botschaft durfte ich aber nicht mit. Mit einem "Das gibt es doch gar nicht, der muß doch eine SSA haben" kam er zurück in sein Büro und griff zum Telefon. Nun wurde ausschließlich amerikanisch gesprochen - kann ich aber auch - und ich erfuhr, daß er mit einer Sicherheitsbehörde sprach; nur wo die war habe ich nicht erfahren. Er holte sich die Genehmigung, den Außenlautsprecher einzuschalten und dann suchten wir ihn. Wir, denn die Frau am anderen Ende der Leitung hatte ein paar Fragen an mich. Und dann hatten wir ihn und des Rätsels Lösung war letztendlich recht einfach.

Sie hatten den vollen Namen meines Vaters seinem Pass entnommen. Dieser Pass war aber ein Ersatz-Pass, da man meinem Vater vor Jahren bei einem Autoaufbruch alle Papiere gestohlen hatte. Den Ersatz-Pass stellte man aufgrund seiner Unterlagen aus, doch keiner hat die Einbürgerungsurkunde mit seiner Abstammungs- bzw. Geburtsurkunde abgeglichen. Einer der Vornamen meines Vaters lautet Matthias und so steht es auch richtig im (Ersatz-)Pass. Auf der Einbürgerungsurkunde steht aber Mathias, also nur mit 1 "T" und so wurde er auch in den Datenbanken geführt. Wie gesagt, er wurde dann gefunden und nach einem cross-check wurde dies auch bestätigt und wir hatten endlich seine Social Security No.

Warum war der Typ nur so scharf auf diese Nummer? Nun, aus mehreren Gründen. Zunächst mal ist diese Nummer die Einzige, womit ein Bürger der U.S.A. eindeutig identifiziert werden kann. Dann stellte er fest, daß mein Vater Ansprüche (wenn auch geringe) aus der Sozialversicherung hat, die Ansprüche aber nie gestellt hat; sie werden also für etwas über 2 Jahre ab seinem 65. Lebensjahr nachzahlen. Über diese Nummer wird ferner geprüft, ob mein Vater weitere Versicherungen in den U.S.A. hatte. Und zuletzt meldet er den Tod meines Vaters unter dieser Nummer der Army, denn die bezahlt ihm ein kleines Sterbegeld, fertigt eine Grabplatte und händigt eine amerikanische Flagge aus. Deshalb muß ich auch noch 1-2 mal zum Konsulat.

Die nun doch ein bischen mehr Arbeit haben, als ursprünglich angenommen, denn ich erzählte ihnen von dem Berufsbetreuer, - früher Vormund genannt - den das Vormundschaftsgericht meinem Vater zur Seite gestellt hat. Es wird nun geprüft, ob dies ohne die Zustimmung der Vereinigten Staaten von Amerika überhaupt statthaft war. Und ich erzählte ihnen, daß der Betreuer seit September 1999 sämtliche Aufforderungen des Vormundschaftsgerichts, die Rechnungslegung durchzuführen (also Belege, Unterlagen e.t.c. zur Einsicht vorzulegen und Auskunft über das laufende Vermögen meines Vaters zu geben) ignoriert und statt dessen lieber das jeweils verhängte Strafgeld bezahlt.

Nachweislich sind persönliche Dinge meines Vaters während der Betreuung abhanden gekommen, unter anderem hat mir der Betreuer ein Erbstück meines Vaters nicht ausgehändigt. Zwischenzeitlich habe ich deshalb Strafanzeige wegen Unterschlagung und Veruntreuung gegen den Betreuer erstattet und hinsichtlich des sonstigen Vermögens meines Vaters Strafanzeige wegen des Verdachts des Betrugs, der Unterschlagung und Veruntreuung gestellt. Die Staatsanwaltschaft hat die Anzeige mittlerweile geprüft und verfolgt dies nun. 1x war ich nun schon zwecks weiterführender Fragen bei der Kripo, es wird wohl nicht das letzte Mal sein.

Und mir wurde schon angekündigt, daß das Gericht diesem Betreuer nun die Ausübung seines Berufes untersagen wird und ich demnächst in der Betreuungsstelle antanzen darf.

So ein paar Gänge zum Amtsgericht sind auch noch drin, denn ich werde einen Ratschlag des Kripobeamten beherzigen. Mir fehlen sämtliche Belege, was mit dem Vermögen meines Vaters passiert ist, ich kenne nur die Summe, die sich aus der Vermögensaufstellung zu Beginn der Betreuung ergibt. Und genau über diese Summe soll ich parallel zu den Ermittlungen der Staatsanwaltschaft einen Mahnbescheid gegen den Betreuer erwirken. Sollte er den genau so ignorieren wie die Aufforderungen des Vormundschaftsgerichts, dann habe ich ihn in ein paar Wochen am A.rsch. Und wenn er sich dagegen wehrt, dann muß er das belegen und die Unterlagen rausrücken. Dann habe ich ihn wieder am A.rsch, denn auch der Kripo ist klar, daß da was faul ist.

Tja, es wird wohl noch einige Zeit vergehen, bis mein Vater seine "letzte Ruhe" gefunden hat. Auch wenn ich vielleicht davon profitiere, so bin ich es in erster Linie meinem Vater, der zeitlebens ein rechtschaffener und ehrlicher Mann war, schuldig, diesen Weg zu gehen. Nicht zuletzt auch hinsichtlich der noch vielen Betreuungsbedürftigen, denen ein weiteres schwarzes Schaaf aus der Betreuerzunft erspart bleibt.

Nur einer und es ist auch nur ein Tropfen auf den heißen Stein; doch irgendwo muß man ja anfangen.

Gruß
Frank