Einzelnen Beitrag anzeigen
12. March 2002, 14:12   #1
Sternkind
 
Registriert seit: May 2001
Beiträge: 6.057
Schmetterlinge gehören nicht in Höhlen

In einem wunderschönen, doch unbekannten Land lebte ein einsamer Wanderer, er striff durch die Landschaft, unruhig, getrieben von einer inneren Unruhe, die er selbst sich nicht erklären konnte.
Er wusste, dass er suchte, doch wonach das konnte er nicht erklären, es war für ihn, als ob ein undurchsichtiger Nebel ihn hinderte seinen Gestalten Form zu geben.

Eines Tages landete er auf einer großen Waldlichtung, viele Menschen waren dort und irgendwie schien diese Waldlichtung unterteilt zu sein, Menschen in Gruppen saßen dort und unterhielten sich, mal laut, mal leise, lachend, andere in Streit vertieft…


Mitten in einer lachenden, spaßenden Gruppe befand sich ein Schmetterling, der aus der Entfernung sehr hübsch aussah, die Menschen umflatterte.
Nur irgendwie seltsam hektisch und laut wirkten die Flügelschläge des Schmetterlings auf den Wanderer und es fiel ihm auf, dass Jeder mal den Schmetterling anfassen wollte und der sich das auch gefallen ließ.

Er gesellte sich zu dieser Gruppe, besah sich das seltsame Schauspiel.
Keck setzte der Schmetterling sich auf die Nase des Wanderers und grinste ihn frech an.
„Na, Du , magst Du nicht auch mitspielen??
Wir haben riesig Spaß und freuen uns über Jeden, der mitspielen mag.“

Seltsam kam dem wandere dieses Spiel und Geplänkel vor und seltsam fand er auch, dass die Augen des Schmetterlings gar nicht lachen mochten, obwohl sein Mund doch nur so sprudelte vor witzigen Dingen.

Fasziniert beteiligte er sich jedoch an dem Spiel, ja recht hatten sie, es machte Spaß und der Schmetterling gab Einem das Gefühl einzigartig zu sein.

Die Menschen wechselten, doch Jeder bekam seine Streicheleinheiten vom Schmetterling und egal zu welcher Gruppe er sich gesellte, überall wollte man einen Flügelschlag von ihm erhaschen.

Tief in der Nacht, als ein wenig Ruhe herrschte, nahm der Wanderer vorsichtig den Schmetterling auf die Hand und sah ihm in die Augen.
„Hey Kleines, was spielst Du eigentlich hier?“
„Ich spiele doch nicht“, erwiderte der Schmetterling, „ich finde hier meine Geborgenheit und mein Glück, weil da wo ich wirklich herkomme, ist alles nur noch dunkel und man hat mir die Flügel verklebt..
Hier kann ich die Menschen umflattern und meine Art ihnen zu schmeicheln gefällt ihnen und sie wollen mich berühren, sie mögen mich“

„Glaubst Du, dass sie Dich wirklich mögen“, fragte der Wanderer oder ist es nicht eher so, dass sie es lieben, wie Du ihnen schmeichelst?“

„Nun ja, ich kann es ja mal versuchen und ein wenig ehrlicher meine Gefühle zeigen, aber ich denke auch dann werden sie mich mögen“, sagte der Schmetterling voller Vertrauen.

„Aber wie, wie bist Du denn wirklich, kleiner Schmetterling, lass mich sehen.“

„Dazu musst Du mit in mein Heim kommen und dahin darf Niemand.
Aber Dir gewähre ich eintritt, denn ich denke Du wirst mich verstehen, wenn Du mein Heim gesehen hast und ich möchte, dass Du mich verstehst, denn auf Deiner hand fühle ich mich sicher, geborgen, warm und glücklich.“

Die beiden wanderten los, an den Rand der Lichtung, kamen zu einer Höhle und der Wanderer blickte den Schmetterling erstaunt an.

„Schmetterlinge, lieben doch das Licht und die Wärme. Wieso lebst Du in einer Höhle?

„Ich lebe hier, weil Niemand vermutet, dass ich hier bin und Niemand sich die Mühe machen wird hereinzuschauen, ich will nicht mehr, dass Jemand so nah zu mir kommt.
Die Menschen auf der Lichtung, die geben mir das Gefühl, noch etwas wert zu sein und gebraucht zu werden, mehr brauch ich nicht mehr.
Nie mehr.“

„Aber Schmetterling, was ist mit Glück, mit diesem unbändigen Glücksgefühl, wenn man zur Sonne fliegt, getragen vom Wind über Wiesen voller Blumen und Wohlgerüche?“

„Ich brauche und will dieses Gefühl nicht mehr, lieber Wanderer, ich weiß, dass dieses Gefühl sehr verletzbar macht und die Sonne einen verbrennen kann, wenn man im Glückstaumel zu nah heran kommt.
Nie mehr will ich mich verletzen lassen.“

Leise nahm der Wanderer den Schmetterling auf die Hand und an der Art, wie sich der Schmetterling anschmiegte spürte der Wanderer, dass tief im Inneren des Schmetterlings sehr wohl noch viel Sehnsucht nach Liebe und Anerkennung war.

Lass mich Dir zeigen, wie man der Sonne entgegenfliegen kann und dennoch nicht versengt wird, bitte, kleiner Schmetterling.

Und der Schmetterling nickte leise und ängstlich.

Nun fühlte er sich geliebt, geliebt um seiner selbst Willen und nicht, wegen der Späße und der Schmeicheleien.

Er begab sich gemeinsam mit dem Wanderer auf die Lichtung und sie unterhielten die Menschen, lachten und scherzten.
Doch der Schmetterling spürte, wie viel Kraft es kostete immer zu schmeicheln und allen gefallen zu wollen.
Und er wollte ja gar nicht mehr, allen gefallen, nur noch dem Wanderer und 1 oder 2 von den Menschen, die immer sehr lieb zu ihm gewesen waren.

Also zeigte er sein wahres Ich.

Und die Menschen waren enttäuscht, keiner mehr, der ihnen schmeichelte, der sie zum Lachen brachte, der sich Mühe gab, ihnen zu gefallen.

Und sie nahmen den Wanderer beiseite und erzählten ihm, dass der Schmetterling wohl nur mit ihnen gespielt hatte, gespielt um seine Befriedigung zu finden.
Sie wollten den Schmetterling nicht mehr, sie mochten nicht, dass er zwischen Ihnen rumschwirrte.
Wozu auch, er machte Ihnen doch keine Freude mehr.

Und der Wanderer?
Glauben wollte er es nicht, aber konnten so viele Menschen sich täuschen?
Konnte es sein, dass auch er sich nur hatte blenden lassen, von der vermeintlichen Schönheit des Schmetterlings?

Nein, er wollte zu dem Schmetterling stehen, allen zeigen, dass sie sich getäuscht hatten, dass der Schmetterling doch hatte nur Niemanden verletzen wollen und das ihn Alle lieben.

Leise spürte er da, dass der Schmetterling sich auf seine Hand setzte und zu ihm aufsah.

„Ich weiß, dass Du mich liebst und Deine Liebe hat mir noch einmal das Glück gezeigt, aber es ist zu schwer und zu anstrengend immer wieder zu beweisen, dass man nichts besonderes ist, weder besonders gut, noch besonders böse.
Ich will nicht mehr kämpfen und ich will auch Dich nicht mehr damit quälen.
Meine Flügel sind verklebt, sie werden es immer sein und ich will Dir nicht die Kraft rauben, indem ich Dich bitte, sie immer wieder zu reinigen.
Nimm ein wenig von meiner Liebe mit, Du weißt nun wozu Du fähig bist und beginne endlich Dein Leben zu leben, wandere nicht mehr herum, suche Dir ein Ziel und irgendwann wird es für Dich ein Menschenkind geben, dass Dir gesund und stark, all das Glück geben kann, dass ich als Schmetterling nie könnte und wenn ich es noch so sehr versuche, meine Flügel werden nie mehr die alten.
Leb wohl Wanderer und dank Dir für einen kurzen Moment freies, glückliches Leben.“

Mit diesen Worten, umkreiste der Schmetterling ein letztes Mal seinen geliebten Wanderer, flog über die Lichtung hinweg.

Hoch, hoch, immer höher, der Wärme der Sonne entgegen…..