Zu dem Thema habe ich auch gerade ein paar Zeilen getippt, um einen Thread zu eröffnen ;-).
Ist "Bushtrommeln" unanständig?
George W. Bush kommt in die Bundesrepublik Deutschland, und wie nicht anders zu
erwarten, wollen verschiedenste Initiativen und Parteien die Gelegenheit nutzen,
um für die friedliche Lösung internationaler Konflikte zu demonstrieren oder,
weniger positiv formuliert, gegen George W. Bush. Politisch Linke, Friedensbe-
wegte, ein paar Bündnisgrüne und - irgenwie wohl unvermeidlich - Palästinenser
haben sich angesagt, um den US-Präsidenten für all das Unrecht verantwortlich
zu machen, das ihnen tatsächlich oder auch nur eingebildet widerfährt. Die Ver-
fassungsschützer wollen unterdessen auch noch Demonstrationsteilnehmer ausge-
macht haben, deren rechte Gesinnung die Bereitschaft zu sinnloser Gewalt ein-
schließt.
Nebenbei kommt es auch in so mancher Zeitung zu recht seltsam wirkenden Ver-
gleichen mit früheren Besuchen von US-Präsidenten oder der alljährlichen Mai-
krawalle. Die FAZ vom Samstag zum Beispiel klärte ihre Leser auf der Titelseite
darüber auf, "wie der Osten die West-Berliner Proteste gegen Präsident Reagan
steuerte". "Die Inszenierung, mit der die Friedensbewegung unter Führung der
PDS in der nächsten [also: dieser (tw_24)] Woche ihren Antiamerikanismus zur
Schau stellen wird, ist eine Neuauflage des Alarmismus der achtziger Jahre." Und
der wurde ferngesteuert, und zwar entweder aus Berlin-Ost oder gar aus Moskau.
Nun will ich gar nicht bestreiten, daß im Kalten Krieg es durchaus im Interesse
der östlichen Regierungen lag, wenn Kritik an der US-Politik geäußert wurde, dem
MfS ist auch zuzutrauen, daß es seine Hände damals mit im Spiel hatte, jedoch
ist der Ostblock nun ja mal Geschichte, die aktuellen Proteste können also auch
nicht mehr ferngesteuert werden, wie dies der FAZ-Schreiberling Jochen Staadt
von der FU Berlin wohl unterstellen will.
Ich frage mich angesichts solcher doch etwas abstrus erscheinenden Versuche, die
Demonstrationen quasi als "unanständig" schon im Vorfeld zu verdammen, ob es
tatsächlich so "unanständig" ist, in den nächsten Tagen für eine friedlichere
Welt zu demonstrieren. Jedenfalls scheint es so zu sein - was sich auch in den
empörten Reaktionen von Unionspolitikern zeigt, die sich lautstark über Amtsträ-
ger zum Beispiel der PDS aufregten, weil diese an den Demonstrationen teilnehmen
wollten. Daß Gregor Gysi und Co. sich auch noch dieser Empörung beugten, scheint
ja auch zu belegen, daß es geradezu an Hochverrat grenzt, wenn man die Politik
der Bush-Regierung nicht billigt.
Paradox wird das gerade bei PDS und "Bündnis 90/Die Grünen". Zumindest erstere
hat offiziell zu Demonstrationen aufgerufen, für ihre Funktionäre dagegen gelten
die Einladungen aber anscheinend nicht - weil sie in Berlin mitregieren. Und ein
paar linke Bundestagsabgeordnete von "Bündnis 90/Die Grünen" geht es da ähnlich,
bei ihnen scheint sich der große Joseph Fischer auch schon ganz sicher zu sein,
daß sie zu Gewalttätern werden.
Ich frage mich, ob es ein Staatsverbrechen ist, einmal anderer Meinung zu sein
und dies dann auf Demonstrationen kundzutun. Meinungs- und Demonstrationsfrei-
heit werden ja auch immer als ur-us-amerikanische Werte bejubelt, weshalb also
darf eine PDS-Senatorin sich nicht bei einer Demonstration zeigen? Weil sie, wie
Gregor Gysi es ausdrückte, als Mitglied der Landesregierung "Gastgeber" ist? Da
stellt sich dann die Frage, ob die Staatsräson gewählte Volksvertreter so weit
"disziplinieren" kann, daß sie nicht einmal mehr eigene Entscheidungen treffen
dürfen, und wie sich dies dann mit demokratischen Grundprinzipien verträgt.
Überhaupt ist diese "Gastgeber-Theorie" grober Unfug, denn erstens sind Regie-
rungs- oder Fraktionsmitglieder keine Beamte und ausdrücklich nur ihrem Gewis-
sen verpflicht und sind zweitens, da es sich ja um einen Staatsbesuch handelt,
auch all jene nach dieser Theorie "Gastgeber", die als deutsche Bürger natürlich
auch zum Staat gehören, in den nächsten Tagen aber ihre politische Meinung durch
allerlei Aktionen als "Achse des Friedens" kundtun wollen bzw. werden.
MfG
tw_24
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