Einzelnen Beitrag anzeigen
24. May 2002, 16:38   #27
tw_24
 
Benutzerbild von tw_24
 
Registriert seit: May 2002
Beiträge: 1.018
Hmpfff, also irgendwie haben wir jetzt schon vier Threads, die sich mehr oder weniger
direkt mit der Frage befassen, ob Kritik an der Regierung Israels allein dadurch schon
antisemitisch (bzw. antijüdisch) ist, weil sie von Deutschen geäußert wird. Da muß ich
wohl mal die administrative Keule schwingen ;-).

Zitat:
Zitat von jupp11
In einem Fernsehinterview, von mir gesehen, meinte Mölleman, man müsse sich nur mal vor
Augen halten, wie viele Juden es in Deutschland gäbe und vieviele Muslime. Wenn nun die
Muslime alle die FDP wählen würden, wäre ihm das recht.
Dieses Interview habe ich möglicherweise auch gehört ;-). Irgendwo jedenfalls meine ich
derartige Aussagen Möllemanns auch gelesen zu haben. Jürgen W. Möllemann ist Vorsitzen-
der der Deutsch-Arabischen Gesellschaft, Jamal Karsli ist Mitglied und sah sich auf
seiner Homepage vor ein paar Tagen noch als "Brücke zwischen Deutschen und muslimischen
Bürgern", als Integrationsfigur. In dieser Hinsicht passen Möllemann und Karsli gerade-
zu ideal zueinander.

Und ganz im Sinne der vielbeschworenen "Integrationspolitik" wäre eine FDP, in der sich
auch muslimische Bürger politisch wiederfinden könnten, noch allemal besser als eine
PKK, die ja jetzt in der Türkei auch Partei sein will. Die ultimative Frage wäre halt,
ob religiöse Vorstellungen, die nicht ganz grundgesetzkompatibel sind, auf diese Weise
durch die Hintertür sich in die Politik einschleichen könnten.

Da ich für einen wirklich strikte Trennung von Staat und jeglicher Religion bin, hätte
ich mit einem solchen Szenario durchaus Bauchschmerzen.

Zitat:
Zitat von jupp11
Und genau da liegt der Hase im Pfeffer, Möllemann ist ebenso skrupellos, wie schlau und
risikobereit. Klar, nicht mein Fall, aber der Plan der dahintersteht wäre durchaus
machbar.
Ein Politiker, der eine zweistellige Zahl zum Programm macht, ist wahrlich skrupellos,
schlau allerdings nicht unbedingt, eher schon überheblich. Aber das ist ein anderes The-
ma.

Die Rückzugslinie der offiziellen FDP ist ja nun, daß Karsli von "Bündnis 90/Die Grünen"
kommt, was zwar stimmt, aber nun eigentlich zu spät ins Feld geführt wird. Mit dem
Streit zwischen Möllemann und Friedman ist der Fall zum Thema des Wahlkampf-Sommerlochs
geworden. Unser aller Kanzler beförderte die FDP deshalb ja gleich zur PDS ins Lager der
"Nicht-Regierungsfähigen", was nun so gar nichts mehr mit politischer Auseinandersetzung
zu tun hat - wieso "Bündnis 90/Die Grünen" regierungsfähig sind, erklärt der Chef-Genos-
se leider nicht.

Zitat:
Zitat von quentin
Dann wäre Friedmann dümmer, als ich glaube, denn dann hätte er sich instrumentalisieren
lassen.
Glaube ich nicht. Friedmann hat für das Manifestieren von Antisemitismus in Deutschland
einen Watschenmann gebraucht und meinte, ihn in den unbequemen Möllemann gefunden zu
haben. Die Äußerungen Gerhards haben das ja mehr als deutlich gemacht.
Das sehe ich nicht so. Michel Friedman und Paul Spiegel kann doch nicht unterstellt wer-
den, sie seien irgendwie erfreut darüber, daß realer oder unterstellter Antisemitismus
wieder hoffähig werden, um sich sogleich darüber aufregen zu können. Ich glaube, da ha-
ben die beiden Herren wahrlich bessere Beschäftigungen, denen sie nachgehen könnten.

Aber es ist natürlich klar, daß ich das sagen muß, weil ich mit ihnen zumindest in Tei-
len übereinstimme. Karslis Vorwürfe - "Nazi-Methoden", Massaker -, denen sich Möllemann
mit seinem Engagement für Karsli angeschlossen hat, sind in ihrer Einseitigkeit min-
destens anti-israelisch - zumal sie bisher noch immer nicht die Beweise für ihre Vor-
würfe präsentieren konnten (Karlsi sprach im Zusammenhang mit Dschenin von etwa 800 To-
ten). Wo zum Beispiel ist die Empörung Möllemanns über die letzten Opfer palästinen-
sischer Anschläge - der letzte versuchte Überfall auf ein Treibstofflager konnte ja noch
verhindert werden, aber, noch einmal, wo bleibt die Empörung Möllemanns über die Hinter-
männer dieses Verbrechens?

Ich glaube, daß genau hier das Problem liegt. Gegen Israel wird drohend der Zeigefinger
erhoben, gar gedroht, die Zerstörung von einst mit EU-Geldern geförderter Infrastruktur
mit Schadensersatzzahlungen zu bestrafen, während zugleich solche Warnungen an die pa-
lästinensische Autonomiebehörde, die auch als Verteiler der irakischen "Kopfprämien" für
Märtyrer fungiert, unterbleiben.

Da gibt es keinen Möllemann, der fordert, dieser korrupten Behörde die Unterstützung zu
entziehen, keinen Karsli, der sich aufregt. Für sie ist es offenbar legitim, Terrorismus
zu unterstützen.

Zitat:
Zitat von quentin
Interessant finde ich auch die Reaktionen tw`s auf lions stellungnahmen.
Seltsam.
Ich kann tatsächlich vieles von dem unterschreiben, was Lion da sagte. Aber ich bleibe
dabei, daß der Nahost-Konflikt zu vielschichtig ist, als daß man einseitig (!) alle Ver-
antwortung Israel bzw. seiner Regierung in die Schuhe schieben könnte. Für Israel geht
es in der Sache wirklich um die eigene Existenz, die "Befreiungskämpfer", die sich im
"Heiligen Krieg" sehen, wollen diesen Staat nicht.

Arafat dagegen hat sich wohl damit abgefunden, daß neben seinem Palästina auch ein Staat
Israel existieren kann und wird.

Was ich an Möllemann und Karsli kritisiere, ist deren blinde Einseitigkeit, nicht mehr
aber auch nicht weniger. Sie dürfen (und sollen) Menschenrechtsverletzungen der israeli-
schen Armee kritisieren, aber sie sollten es unterlassen, palästinensische Terroristen
als "Befreier" zu bezeichnen.

So, und nun zurück zu Friedman. In einem der vielen Threads hatte ich gesagt, daß man ihn
und seine Art der Meinungsäußerung lieben oder meinetwegen auch hassen kann. Warum auch
nicht?

Aber es ist nicht er dafür zuständig, wie ich zu den Juden allgemein oder auch nur zu ihm
stehe. Möllemann war so blöd, Friedman vorzuwerfen, er - Friedman - sei verantwortlich
für Vorurteile gegenüber jüdischen Mitbürgern. Und das genau ist unheimlicher Schwachsinn,
der einem Politiker einfach nicht passieren sollte. Nicht Friedman ist dafür verantwort-
lich, wie ich zu den Juden stehe, sondern das ist allein meine Entscheidung. Für meine
Entscheidung ist nicht Friedman verantwortlich, sondern meine Wenigkeit. Das Gegenteil
jedoch hat Möllemann verkündet, indem er - etwas umformuliert - den von mir zitierten
Tucholsky wiedergab, der als Jude damit in meinen Augen die Lage treffend einschätzte.

Zitat:
Zitat von quentin
Trotzdem halte ich das, was der Zentralrat hier in Deutschland vorführt, für unakzeptabel.
Hält Spiegel sich für den Statthalter Israels für Deutschland? Provokativ?
Also, es ist der Zentralrat der Juden in Deutschland, nicht die diplomatische Vertretung
Insraels. Und nicht er provoziert (allein durch seine Existenz?), sondern äußert sich be-
sorgt. Und ausdrücklich hat er auch erklärt, daß Kritik an der israelischen Regierung erlaubt ist.

MfG
tw_24