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5. June 2002, 13:26   #16
tw_24
 
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Langsam aber sicher gehen mir zwar nicht die Argumente gegen Möllemann aus, aber die, die man für Paul Spiegel und/oder Michel Friedman in die Diskussion einbringen könnte.

Ich habe diese Christiansen-Sendung nun schon mehrmals angeschaut und finde, daß es zwischen Westerwelle und Friedman zu einem Unentschieden gekommen ist, bei dem mir Westerwelle ein klein wenig im Vorteil zu sein scheint.

Christiansen war - wie immer - eine Fehlbesetzung, den SPD-Wahlkämpfer Sigmar Gabriel mit seinen dummen Sprüchen konnte man ignorieren, einzig Schäuble als elder statesman versuchte, die Diskussion ernsthaft zu bereichern, was ihm allerdings auch nicht immer gelang. Den Hohlkopf Sigmar Gabriel hätte man besser entweder durch einen "unabhängigen" deutschen Juden (z.B. Reich-Ranicki, der mit der "Antisemitismus-Debatte" ja nichts zu tun haben will) oder einen Vertreter der israelischen Opposition ersetzt, denn auch wenn es eigentlich ein innerdeutsches Thema ist, der kritische Blick von außen fehlte wirklich.

Mir sind in den letzten Tagen dank jupp11s "Ermahnung" ;-), die Äußerungen von Paul Spiegel und/oder Michel Friedman müßten doch aus sich selbst heraus logisch erklärbar sein, diese zumindest in Teilen negativ aufgefallen.

So erklärt zum Beispiel Paul Spiegel immer wieder, unter Freunden sei Kritik erlaubt und manchmal sogar angebracht. Das drängt eigentlich zu der Nachfrage, ob ich mich erst mit einem Kriegsverbrecher wie Arial Scharon anfreunden muß, um ihn kritisieren zu dürfen. Konsequent bis ans Ende gedacht, hätte die Shoa vielleicht früher ein Ende gefunden, wenn die selektierten Juden an den Rampen der Vernichtungslager ihren Mördern voller Freude um den Hals gefallen wären, um ihnen - natürlich unter Freunden - zu sagen, daß das so ja wohl nicht weitergehen könne ...

Möllemanns Äußerungen seien, so wieder Paul Spiegel, "die größte Beleidigung seit dem Holocaust". Das ist zwar sicher nicht so gemeint, kann aber als schier grenzenlose Verharmlosung des Holocaust aufgefaßt werden, der anscheindend auch "nur" eine Beleidigung war - viele würden sich sicherlich freuen, "nur" beleidigt, nicht aber vergast worden zu sein.

Und gerade wenn man sich die ost-/westdeutsche Vergangenheit anschaut, scheint Paul Spiegel gnadenlos zu übertreiben.

Die DDR kannte Israel als Staat erst ab 1990, vierzig Jahre Ignoranz sind offenbar harmloser als der Maulheld Möllemann, der seine dummen Äußerungen ja auch schon zurückgenommen hat.

Die BRD leistete sich unter Konrad Adenauer eine rechte Hand namens Hans Globke, der an den Nürnberger Rassegesetzen mitgewirkt hatte, die den Holocaust begründeten; ein Bundeskanzler Kiesinger fand nicht nur den Vietnam-Krieg der USA gut, sondern auch den Führer, als dieser noch an den Endsieg glaubte.

Aber die "größte Beleidigung" für Paul Spiegel sind Möllemanns Äußerungen. Diese inquisitorische Bewertung, die sich mittlerweile ja gegen die ganze FDP richtet, gegen die Spiegel einen "Aufstand der Demokraten" anzetteln will, ist in meinen Augen unhaltbar.

Paul Spiegel verharmlost den Holocaust auf eine Weise, die alles andere als anständig ist, und käme ein solcher Satz vom gescholtenen Möllemann, er wäre wieder in den Schlagzeilen.

Mit dem eher peinlichen Aufspringen von CDU/SPD/"Bündnis 90/Die Grünen" auf den "Antisemitismus-Zug" wird der Holocaust tatsächlich nur noch für innenpolitische Zwecke mißbraucht, wie das Uri Avnery jüngst bemerkte.

Eine wirkliche inhaltliche Auseinandersetzung findet gar nicht mehr statt, "Antisemitismus" ist offenbar wirklich zum Todschlagsargument im Wahlkampf geworden, das selbst von BILD aufgegriffen wurde, um die FDP als unwählbar darzustellen: "Westerwelle nimmt Möllemanns antisemitische Zündeleien hin. Er nimmt in Kauf, daß eine Partei der Mitte mit dem Schüren von Judenfeindlichkeit Stimmen gewinnt. Und so lange er das tut, kann man seinen Verein nicht wählen."

Das ist, auch wenn ich die FDP so gar nicht mag, ein ungeheuerlicher Satz des Dr. Mathias Döpfner, für den dieser Schreibtischtäter geteert und gefedert werden sollte. Das ist kein politischer Kommentar mehr, sondern eben die "Moralkeule", die dereinst Martin Walser erfand.

MfG
tw_24