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7. June 2002, 17:05   #11
tw_24
 
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Beiträge: 1.018
Zitat:
Zitat von jupp11
Du stellst dieses Gericht aber in Frage. Damit kann ich leben, auch wenn dieser Gerichtshof der ist, dessen Rechtsprechung sich meines Wissens die meisten Staaten unterworfen haben.
Also, ins Leben gerufen wurde dieser Gerichtshof in Den Haag einzig zu dem Zweck, Kriegsverbrechen auf dem Balkan zu ahnden. Das klingt erst einmal gut, in der Praxis werden mögliche Kriegsverbrechen der NATO allerdings ausgeblendet. Damit muß ich leben; damit kann ich auch leben, allerdings wird dadurch die Rechtsprechung dieses Gerichts bei allem Bemühen um Rechtstaatlichkeit immer Anlaß zu Kritik geben. Aber andererseits ist ein Gericht besser als kein Gericht, das gebe ich zu.

In gewissem Sinn könnte dieses Gericht ja auch durchaus ein Beispiel dafür sein, daß es für Diktatoren, aber auch für demokratisch gewählte Staatenlenker keine lebenslange Immunität gibt, sollten sie im Amt gegen internationales und nationales Recht verstoßen. Nur ist es mal wieder ausgerechnet die Weltmacht USA, die sich gegen einen wirklichen internationalen Gerichtshof sperrt, so daß der zivilen internationalen Strafverfolgung ein Bärendienst erwiesen wird. Aber das ist dann schon wieder ein anderes Thema.

Zitat:
Zitat von jupp11
Schlag ein besseres Gericht vor, und stell auch einen unparteiischen Ankläger.
Es gab Bemühungen, Milosevic in Serbien vor Gericht zu stellen. Das paßte den Siegermächten anscheinend nicht - der Ausgang eines solchen Prozesses wäre auch wirklich ungewiß. Allerdings hätte die serbische Gesellschaft von einem solchen Prozeß im eigenen Land sicher mehr gehabt als von dem Schauprozeß in Den Haag. Denn unabhängig davon, ob Milosevic eine direkte Schuld nachgewiesen werden kann, in Serbien kann man nun immer sagen, es handele sich um Siegerjustiz, was eine sicher nötige Aufarbeitung der Milosevic-Ära wohl eher behindert.

Zitat:
Zitat von quentin
das ist kompletter Humbug, das kann nur von den sozialistischen Brüdern kommen. Wie sollte wohl Gysi seinen Besuch beim Kriegsverbrecher begründen.
Ich kann mich auch ganz gut an Bilder erinnern, da saßen Milosevic und Helmut Kohl fröhlich beieinander ...

Aber zu den angeblichen Vertreibungen: Ich will Milosevic und die serbische Armee nicht von jedem Verdacht freisprechen. Das kann ich auch nicht. Aber nicht zuletzt diese umstrittene WDR-Sendung "Es begann mit einer Lüge" machte doch deutlich, daß im Fall des Kosovo die öffentliche und veröffentlichte Meinung sehr stark manipuliert wurde. Die UCK war und ist keine Freiheitsbewegung gewesen, die diese Bezeichnung ernsthaft verdient hätte. Als solche wurde sie aber zum Partner der NATO gemacht. Es ist allerdings auch dokumentiert, daß die UCK-Banditen albanischstämmige Bewohner des Kosovo dazu zwangen, ihre Häuser zu verlassen. Und hinzu kommt sicher auch noch, daß in einem Krieg, der aus der Luft geführt wird, wie dies die NATO tat, es ganz selbstverständlich dazu kommt, daß Menschen in sicherere Gebiete ziehen wollen. Insofern hat auch die NATO mit ihrer Strategie einen Teil der Flüchtlingsströme mitzuverantworten, die ja in der Tat erst nach Kriegseintritt der NATO wirklich schlimme Ausmaße annahmen.

Zitat:
Zitat von quentin
und dann gibt es noch die Reden von Milosevic, die eindeutig sein Ziel von Großserbien dokumentiert haben.
Meinst Du die berüchtigte "Amselfeld-Rede" aus dem Jahr 1989? In der sagt der Staatspräsident Milosevic nichts von einem Großserbien, sondern nur von einem Serbien, dessen territoriale Integrität bewahrt werden solle.

Zitat:
Zitat von Slobodan Milosevic
Uneinigkeit und Verrat im Kosovo haben die serbische Nation wie ein übles Schicksal während der gesamten Geschichte verfolgt. Und im letzten Krieg haben diese Uneinigkeit und Verrat das serbische Volk und Serbien in eine Agonie getrieben, deren historische und moralische Konsequenzen die der faschistischen Aggression übertrafen.

Später, als das sozialistische Jugoslawien gegründet wurde, blieb die serbische Führung in diesem neuen Land gespalten und ging auf Kosten der eigenen Bevölkerung viele Kompromisse ein. Kein Volk der Welt könnte unter ethnischen und historischen Gesichtspunkten die Zugeständnisse akzeptieren, welche die verschiedenen serbischen Führer zu Lasten ihres Volkes gemacht haben.

Das gilt um so mehr, als die Serben im Laufe ihrer Geschichte andere Völker niemals erobert oder ausgebeutet haben. Das nationale und historische Wesen des serbischen Volkes war während seiner gesamten Geschichte und auch während der zwei Weltkriege bis heute vom Geist der Befreiung geprägt. Sie haben sich stets selbst befreit und wenn sie dazu in der Lage waren, anderen geholfen, sich zu befreien. Und die Tatsache, daß sie in dieser Region ein großes Volk sind, ist keine Sünde, derer sich die Serben schämen müßten. Es ist ein Vorzug, den sie gegenüber anderen nie ausspielten. Aber ich muß hier auf dem legendären Feld des Kosovo feststellen, daß die Serben den Vorteil eines großen Volkes für sich selbst niemals nutzten. [..]

Niemals in der Geschichte war Serbien nur von Serben bewohnt. Heute mehr als jemals zuvor leben hier Bürger aller ethnischen und nationalen Gruppen. Dies ist kein Handikap für das Land. Ich bin aufrichtig davon überzeugt, daß dies sein Vorzug ist. In diesem Sinne ändert sich die nationale Zusammensetzung fast aller und besonders der entwickelten Länder der gegenwärtigen Welt. Immer mehr und immer erfolgreicher leben Bürger verschiedener Nationalitäten, unterschiedlichen Glaubens und unterschiedlicher Rassen zusammen.

Quelle: http://www.aikor.de/Artikel/rahasibu.htm
Lassen wir mal all das Sozialismus-Geschwafel weg, ist das keine Rede, die in irgendeiner Weise ein "ethnisch gesäubertes" Groß-Serbien propagiert, wie das von Rudolf bin baden Scharping und Joseph Fischer mit dummer Regelmäßigkeit wiederholt wurde. (Allerdings gestehe ich gern, daß auch hier zwischen den Worten Milosevics und seinen Taten Unterschiede bestehen könnten.)

Zitat:
Zitat von quentin
Ein serbisches Gericht? Willst du uns veralbern?
Nein, ich will niemanden veralbern. Aber wäre es denn nicht wirklich überzeugender in der Wirkung nach innen wie nach außen, wenn es ein Land, eine Gesellschaft schaffen würde, gerecht im Sinne der geltenden Gesetze über die eigene Vergangenheit zu richten?

Zitat:
Zitat von quentin
Denk mal an Nürnberg, glaubst du, wir hätten Göring & Co. aufgehängt?
Natürlich ist dieser Einwand berechtigt. Allerdings hätte ein Versuch ja nicht viel Schaden anrichten können, glaube ich. Warum meinte die "Wertegemeinschaft" dem "neuen" Serbien unter einer dem Westen doch ganz willkommenen Regierung durch die Entführung Milosevics die Fähigkeit absprechen zu können, selber über die eigene Vergangenheit richten zu können? Immerhin wurde das Milosevic-Regime ja auch vom eigenen Volk gestürzt. Warum sollte eben diese Gesellschaft nicht auch über den ehemaligen Staatschef richten können?

MfG
tw_24